Wittgenstein4.242
Wittgenstein fragt sich im "Tractatus logico philosophicus" unter der Nummer 4.242, ob die Aussage der Identität nicht in Wirklichkeit überflüssig und also sinnlos ist. Er schreibt unter dieser Nummer:
"Ausdrücke von der Form 'a=b' sind also nur Behelfe der Darstellung; sie sagen nichts über die Bedeutung von 'a' und 'b' aus."
Diese Aussage besagt, dass zwei Zeichen "a" und "b", die dassselbe bedeuten, durcheinander ersetzt werden können, ohne dassws sich die Bedeutung des Satzes ändert. Daraus ergibt sich, dass sich aus dieser Identtität keine Schlüsse auf die Bedcetung der Zeichen ziehen lassen, die in einem solchen Ersetzungsverfhren benutzt werden. Die Ersetzbarkeit der beiden Zeichen durch einander sagt nichts über ihre Bedeutung. es handelt sich daher nicht um Aussagen über gegenstände, sondedrn uim Aussagen über Aussagen. Sie dienen nur der "Darstellung".
Soweit scheint es da kein Problem zu geben. Wittgensein scheint aber der Ansicht zuzuneigen, dass das für alle Aussagen des Typs "a=b" zutreffen. Darin kann ich ihm folgen. In diesem Papier möchte ich an einem Beispiel zeigen, dass dies nicht zutrifft. Dies Beispiel ist zugleich so gewählt, dass es - wenn ich recht habe - beweist, dsss es zahlreiche Ausdrücke der Form "a=b" gibt, bei denen die Berücksichtigung der Bedeuztung wesentlich und unverzichtbar ist.
1.Größengleichheit und Größenungleichheit
In der Diskussion dieses Satzes - wiie überhaupt in der Diskussion über Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus" spielt der Beispielsatz "Die Sonne ist größer als die Erde." eine Rolle. Um einen solchen Satz, der ein ungleiches Größenverhältnis uasdrückt, philosophisch angemessen analysieren zu können, gehe ich von dem Verhältnis der Größengleichheit aus, um dann die Spezifik des ungleichen Größenverhältnisses zu erfassen. Im Ausdruck der Größengleichheit ist ein qualitativer Aspekt verdeckt, der bei der Größen ungleichheit als solcher hervortritt. Die "Symmetrie" des gleichen Größenverhältnisses verdeckt diesen qualitativen Aspekt, so dasss er bei ungleichen Größenverhältniossen hervortritt.
2. Das Verhältnis der Größenmgleichheit
Gesetzt den Fall "a" und "b" bezeichneten zwei gegenstände, die gleich groß seien. "Ga" bedeute die "Größe von a", "Gb" die "Größe von b". ich kann dann sagen: "Ga=Gb". Die Stellung von "Ga" zum gleichheitszeichen und die Stellung von "Gb" zum gleichheitszeichen bringen nach Wittgenstein zum Ausdruck, dass die beiden gegenstände duch die Beziehung der Größengleichheit verbunden sind. Diese Größengleichheit ist ein bestimmtes Größenverhältnis zweischen den gegenständen "a" und "b", nämlich das größenverhältnis, dasss beide gleich groß sind. Dieses Größenverhältnis kann aber nicht nur so beschrieben werden, dass bei der Formulierung vom Gegenstand "a" ausgegangen wird, und dann gesatgt wird, dass die Größe von "a" der Größe von "b" gleiche. Es ist offenbar genauso möglich, vom Gegenstand "b" auszugehen und dann zu sagen, dass seine Größe der von "a" gleiche. Es ist also ebenso möglich, dasselbe bestimmte Größenverhältnis in der Form "Gb=Ga" zu beschreiben.
Dies bringt in die Gleichung eine qualitative Differenz, die für die quantitative Bestimmtheit des Größenverhältnisses offensichtlich dann gleichgültig ist, wenn das Größenverhältnis als Größengleichheit bestimmt ist. Die Formulierung "a ist genauso groß wie b" nutzt den Gegenstand "b" dazu, die größe von "a" auszudrücken. [1] Umgekehrt ist die Formulierung "b ist genauso groß wie a" eine Formulierung, in der die Größe von "b" in der Größe von "a" ausgedrückt wird. Diese qualitative Differenz zwischen den Formeln "Ga=Gb" und "Gb=Ga" ist zunächst bloß eine Frage der Beschreibung des Größenverhältnisses, das in seiner quantitativen Größenbestimmtheit von dieser qualitativen Differenz unberührt bleibt. Es ist für den Ausdruck des größenverhältnisses gleichgültig, welche der beiden formulierungen man wählt. Man kann das in Bezug auf die Beziehung selbst auch so ausdrücken, das man sie als "symmetrisch" bezeichnet. Man kann die Ausdrucksform also auch umkehren. Diese Umkehrbarkeit ist logisch deshalb gegeben, weil es sich nur um ein Verhältnis handelt, und dieses Verältnis ist so bestimmt, dass beide Seiten quantitätiv gleich sind in Bezug auf den Vergleichspunkt. Mit Wittgenstein gesprochen sind die größen der beiden gegenstände durcheinander substituierbar.
Die qualitative Differenz scheint insofern bloß die Beschreibung, diese aber notwendig, zu betreffen. denn man kann die gerößengleichheit nur so ausdrücken, dass man von der Größe des einen Gegenstandes (der beiden in frage kommenden Gegenstände) zum Ausgangspunkt nimmt, seine Größe in der Größe des anderen gegenstand misst und so die gleichheit der größen der beiden gegenständ feststellt. Eine solche Aussage ist also insofern notwedig einseitig, als die andere der beiden beschreibungen mit demselben recht genommen werden kann wie die erste. Andererseits muss man eine der beiden Beschreibungen wählen, um das Größenverhältnis zum Ausdruck bringen zu können.
Man könnte die Differenz der beiden Formeln so zu bestimmen versuchen, dass man sie als aus der "Art des Gegebenseins" [2] des Verhältnisses resultierend begreift. Dies ist möglich, verstellt aber den Blick auf den spezifischen logischen Charakter der "Art des Gegebenseins". Freges bevorzugtes Beispiel zur Erläuterung der "Art des Gegebenseins" ist der Satz "Der Abendstern ist der Morgenstern". Beide sind identisch, nämlich Körper, der in einer anderesn "Art des Gegebenseins" als der Planet Venus bezeichnet wird. Er ist uns aber aus empirischen Gründen in unterschiedlicher Weise gegeben. (Diese unterschiedlichen "Arten des Gegebenseins" können auch anders als empirisch begründest sein, so etwa in der Geometrie, wie ein weiteres Beispiel von Frege zeigt.) Jedoch hlft der Begriff der "Art des Gegebenseins" im Fall der Größengleichheit nur beschränkt. Zwar kann ein Vergleich mit Freges Beispielen verdeutlichen, dass die Vielheit der Beschreibungen mit der Äußerlichkeit des Beschreibens zu tun hat, wie sie in dem Begriff "Art des Gegebenseins" zum Ausdruck kommt. Denn "gegeben" ist etwas notwendig einem Anderen. Dennoch verstellt diese Erläuterung den spezifischen logischen Charakter des Falle der Größengleichheit. Denn im Falle des Planeten Venus ist es dem zu beschreibenden Gegenstand gleichgültig, wie er "gegeben" ist. Genaugenommen gibt es unendlich viele Arten des Gegebenseins" dieses Planeten.
Für das größenverhältnis ist dies aber nciht gleichgültig. es ist vielmehr logisch notwendig, dass es auf das Größenverhältnis zwischen zwei Gegenständen genau zwei Perspektiven gibt, nämlich die beiden Perspektiven der verglichenen Gegenstände. Entwefder drückt der Gegenstand "a" seine Größe in der Größe des Gegenstandes "b" aus, oder umgekehrt drückt der Gegenstand "b" seine Größe in der des Gesgegenstandes "a" aus. Die Äußerlichkeit, die in dem Ausdruck "Art des Gegebenseins" gedacht ist, ist im Falle des Verhältnisses der Größengleichheit eine andere als im falle des Planeten Venus. Im Falle der größengleichheit ist sie nämlich eine dem verhältnis selbst innerliche Äußerlichkeit, d.h. sie ist mit dem größenverhältnis logisch notwendig verbunden. Mit andeern Worten: Es ist aus logischen Gründen undenkbar, dass es ein größenverhältnis gibt, innerhalb dessen nicht genau diese beiden Perspektiven möglich sind. Diese Äußerlichkeit liegt also im Größenverhältnis selbst. (Man kann sich vielleicht auch eine andere "Art des Gegebenseins" eines Größenverhältnisses vorstellen, die dann aber logisch auf derselben Ebene liegt, wie die "Arten des Gegenbenseins" des Planeten Venus.) Ein Größenverhältnis hat logisch notwendig die Perspektiven der Verglichenen als "Arten des gegebenseins", und logisch notwendig sind genau nur diese zwei, zwischen denen man bei der Beschreibung wählen kann, aber auch wählen muss.
Die Wahlfreiheit zwischen diesen beiden Formeln verdeckt hier eine theoretische Unzulänglichkeit der Beschreibung. Denn genau genommen - und in der Philosophie muss man die Dinge genau nehmen - müßte man beide einander qualitativ entgegegesetzten Formeln bringen, um das Verhältnis exakt zu beschreiben. Man könnte dann das Größenverhälntis selbst in der Formel "Ga=Gb.Gb=Ga" zum Ausdruck bringen. Aber damit hat sich das Problem eher verschärft als gelöst. Denn in diesen Beschreibungen faasst man das eine größenverhälntis in die Beschreibung von zweien., die durch eine Konjunktion als ein und dassselbe größenverhältbnis dargesetllt werden. Diese Einheit der beiden Beschreibungen wird aber selbst in der Beschreibung nicht mehr zum Ausdruck gebracht sondern muss durch eine äußerliche Interpretation hinzugedacht werden. Die Differenz zwischen dem im Zeichen zum Ausdruck gebrachten "Bild", um m it Wittgenstein zu sprechen, und dem darin gedachten Sachverhalt hat sich auf diese Weise noch vergrößert. Sollte man die Identität des in den beiden Beschreibungen erfassten Sachverhalts zusätzlich als eine Konjunktion der Beschreibungen einführen, so macht dieser schritt nur die Differenz zwischen Zeichen und Bezeichnetem deutlich, von der hier die Rede ist. Sie macht sie sprachlich sichtbar, indem die identität des Verhältnisses durch die Identifizierung zweier durch jeweilige Beschreibungen vorgestellter Größenverhältnisse zum Ausdruck bringt. In dieser Formulierung würde man also sprachlich zum Ausdruck bringen, dass man ein Größenverhältnis als solches sprachlich nicht unmittelbar zum Ausdruck bringen kann.
- ↑ Ich folge nicht der Behauptung Freges, dass es Größen als solche gibt. (vgl. Gottlob Frege: Was ist eine Funktion. in: Gottlob Frege Funktion, Begriff, Bedeutung. Hrsg. Günther Patzig, göttingen 1994, s. 81ff.) Größen sind an Gegenständen. Ebensowenig ist eine Veränderung von Größen darstellbar als eine Reihe anderer Größen, wie Frege offenbar voraussetzt, wenn er die Veränderlichkeit von Größen bestreitet. Denn die Kontinuität einer solchen Veränderung lässt sich durch Reihen anderer größen nicht ausdrücken. Sie muss bei einem solchen Versuch in aneinandergereihte Diskreta aufgelöst werden.
- ↑ vgl. Gottlob Frege: Sinn und Bedeutung. in: Gottlob Frege: Funktion, Begriff, Bedeutung. Hrsg. Günther Patzig, Göttingen 1994, S. 41.