VI. Kostproben der "kritischen" Anwendung des "etablierten Vernunfttypus"
VI Kostproben der "kritischen Anwendung" des "etablierten Vernunfttypus"
Wir nutzen den Aufsatz "Zwischen Marx, Marxismus und Marxismen - Lesarten der Marxschen Theorie", um einige Früchte der "kritischen" Anwendung des "etablierten Vernunfttypus" zur Kenntnis zu nehmen. Zunächst wird uns mitgeteilt, dass der Marxismus - die parteioffizielle Doktrin im Unterschied zu den westlichen "Marxismen" - eine "restringierte Marx-Lektüre" anbietet. Er stamme gar nicht von Marx, sondern von Friedrich Engels, und müßte daher eigentlich Engelsismus heißen.
(Dieses Argument - ein Klassiker existentialistischer Marx-Kritik - verdankt seine Herkunft der evangelischen Theologie, in der es zuerst Anwendung fand. Jesus sei - so meint der Theologe Bultmann - kein Christ gewesen, da er nicht an sich selbst geglaubt habe. Der erste Christ sei Paulus gewesen. Dieses Argument besticht dadurch, dass man nicht Anhänger seiner selbst sein kann. Es hat daher rein formalen Charakter und kann immer angewandt werden. Platon war kein Platonist, Thomas von Aquin war kein Thomist etc. Im Falle des Marxismus aber geht es weiter, weil es sich gegen den parteilichen Charakter der Theorie von Marx richtet und in Wortspielen die Botschaft vermittelt: Entweder Du bist Partei oder Du treibst Wissenschaft. Beides geht nicht. Dieses Argument schafft es noch nicht einmal zum "etablierten Vernunfttypus", wenn man die evangelische Theologie nicht als vernünftig akzeptiert. Wenn natürlich doch, dann liegt auch hier ein Beispiel dieses Typus vor. Aber das setze ich nicht voraus, deswegen dies nur in Klammern.)
Nach diesem Einstieg werden wir mit den Argumentationsformen des "etablierten Vernunfttypus" vertraut gemacht. Wir folgen dem Abschnitt "I.1. Die ontologische deterministische Tendenz" lückenlos. (Mit dem Titel allerdings beschäftigen wir uns erst später.) Er beginnt mit den Worten: "Der wissenschaftliche Sozialismus wird (von Friedrich Engels, Anmerkung von Stephan Siemens) konzipiert als ontologisches System, 'Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs'. Die Materialistische Dialektik fungiert hier als 'Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengeschichte und des Denkens'; die Natur dient Engels dabei als 'Probe auf die Dialektik'. Eine falsche Analogisierung historisch gesellschaftlicher Prozesse mit Naturphänomenen wird schon allein dadurch vorgenommen, dass in der Engelsschen Erläuterung der Grundzüge der Dialektik gerade die zwischen Subjekt und Objekt fehlt."
Das reicht als erster Eindruck für die folgenden Kostproben. Man muss nur abschreiben, was Engels sagt. Eine Kritik ist gar nicht nötig. Dass das mit dem etablierten Vernunfttypus nicht übereinstimmt, versteht sich von selbst. Legionen von Antimarxisten haben diese Aussagen "widerlegt". Es genügt daher, diese Aussagen anzuführen. Darüber nachzudenken scheint sich nicht zu lohnen.
Engels macht sich - so dann doch der Vorwurf - einer "falschen Analogisierung historischer-gesellschaftlicher Prozesse mit Naturphänomenen" schuldig. Dieses Argument zielt auf den Grunddissens der theoretischen Auffassungen. Nicht die Analogisierung, sondern um das Verhältnis von Natur und Gesellschaft interessiert hier. Primitive Menschen, die sich Marxismus zugehörig fühlen meinen (versteht sich irrtümlich, wenn man vom etablierten Vernunftbegriff ausgeht), dass die Natur eine Voraussetzung der menschlichen Geschichte und Gesellschaft ist. Diese Meinung schlägt sich darin nieder, dass sie sich nach dem Verhältnis der Natur zur menschlichen Geschichte fragen. Sie behaupten, dass die menschliche Geschichte in der Natur stattfindet, weil die Natur tatsächlich der Gesamtzusammenhang dessen ist, was ist. Daher kommen sie auf die Idee, dass die Geschichte der Menschheit Teil und Gegenteil der Naturgeschichte ist. Um das zu leugnen, muss man entweder die Fragestellung (positivistisch) für Unsinn halten. Das legt der erste Satz dieses Kapitels der Ausführungen von Ingo Elbe nahe. Oder man hört einfach mit dem Denken auf, wenn einen der "etablierte Vernunfttypus" verlässt. Dann vermiedet man, "das Ganze" zu denken.
Die Dialektik zwischen Subjekt und Objekt fehlt nicht, aber dazu kommen wir noch bei der Widerspiegelungstheorie. Inge Elbe kann nicht glauben, dass Engels von der Dialektik der Natur ausgeht: ""Negation der Negation" oder "Umschlag von Quantität in Qualität" werden im Wechsel von Aggregatzuständen des Wassers oder der Entwicklung eines Gerstenkorns ausgemacht." Da versagt sich der "etablierten Vernunfttypus" dem Denken. Eine quantitative Veränderung der Temperatur des Wassers führt zur Veränderung der qualitativen Darstellungsform des Wassers.
Die Veränderung der Temperatur des Wassers (hier als eine quantitative Veränderung aufgefasst) führt innerhalb bestimmter Grenzen zu keiner Veränderung des qualitativen Zustands des Wassers. Allerdings trifft das nur innerhalb bestimmter Grenzen zu. Wird die quantitative Veränderung über diese Grenzen hinausgetrieben, so verändert sich die qualitative Darstellungsweise des Wassers: Es wird entweder fest oder gasförmig, bleibt aber nicht in der qualitativen Darstellungsweise der Flüssigkeiten. (In beiden Fällen ist diese Veränderung des qualitativen Zustands des Wassers mit Energieaufwand verbunden. Dieses Beispiel soll zeigen: Quantitative Veränderungen ziehen - wenn bestimmte Grenzen überschritten werden, die bestimmt sind durch den Prozess, um den es sich handelt - bestimmte Veränderungen in der qualitativen Darstellungsform des Gegenstandes, der sich in diesem Prozess befindet, nach sich. Das Wasser dient hier als Beispiel für einen Gegenstand, an dem sich dieses Umschlagen vollzieht. Der - bewusst eingeräumte und eingegangene - Mangel dieses Beispiels ist, dass es sich um ein Beispiel handelt, und dass es daher einen vorausgesetzten Gegenstand (hier das Wasser) gibt, an dem sich diese quantitative Veränderung vollzieht. Denn dieses Beispiel soll sich nicht ausschließlich auf Wasser beziehen, sondern auf alle Gegenstände überhaupt, und - da alle natürlichen Gegenstände Prozesse sind - dann auch auf qualitative Veränderungen von Bewegungsprozessen in der Natur im Allgemeinen: Also von der Ortsbewegung zur Wärme zu Magnetismus und Elektrizität etc.
Ähnlich ist es mit dem Gerstenkorn. Man kann dieses Beispiel, das übrigens nicht von Engels, sondern in leicht abgewandelter Gestalt von Hegel stammt, lächerlich machen. Aber wenn man darüber nachdenkt - und es nicht einfach als Tatsache hinnimmt -, dass Pflanzen sich auf eine bestimmte Weise reproduzieren, die - wie bei allen anderen Lebensprozessen auch - mit einer "konstruktiven oder produktiven Zerstörung" einhergeht, wird man sich dazu anders verhalten. So heißt die Negation der Negation heute. An dem Gedanken geändert hat sich dadurch nichts. Man hat bei der entsprechenden Umformulierung mit dem "Engelsismus" nichts zu tun. Man affirmiert die dem "etablierten Vernunfttypus" entsprechende Systemtheorie.
Aber gehen wir weiter im Text: "Dialektik soll gegen eine statische Betrachtungsweise das "Werden", die "Vergänglichkeit" allen Seins aufzeigen, sie wird rückgebunden an traditionelle bewusstseinsphilosophische Dichotomien, wie die sog. "Grundfrage" der Philosophie, ob im Verhältnis von "Denken und Sein" diesem oder jenem das Primat zukomme, wird zerfällt in zwei Reihen von Gesetzen, in die 'objektive' und die 'subjektive' Dialektik, wobei letztere lediglich als passives Abbild der ersteren gefasst wird."
Eben noch bestritt Ingo Elbe, dass Engels sich mit der Dialektik zwischen Subjekt und Objekt beschäftigt habe. Nun genügt der Hinweis auf die Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Dialektik, um durch die bloße Benennung dieses Unterschiedes die Kritik daran abgeschlossen zu haben, wie Engels das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt in der Erkenntnistheorie fasst. (Auf das lediglich passive Abbild kommen wir später zurück.)
Die Dialektik soll das "Aufzeigen" des "Werdens" und der "Vergänglichkeit allen Seins" gegen eine statische Betrachtungsweise" - "aufzeigen". Es handelt sich bei der Dialektik nicht um das Aufzeigen der Vergänglichkeit. Die erkennt man ja hinreichend aus der Erfahrung. In der Dialektik handelt es sich um das Denken der Vergänglichkeit, des Werdens, um das Denken von Prozessen. Nach der marxistischen Theorie ist alles vergänglich und prozesshaft. Etwas nicht Prozesshaftes gibt es nicht. Was immer ich also angemessen denken will, muss ich als Prozess denken, als vergänglich, als Einheit von Sein und Nichtsein (um mich mit Platon und Hegel auszugdrücken). Das Denken von Prozessen setzt eine andere Form der "Bezugnahme" auf Gegenstände und die Wirklichkeit voraus als die der Sprache, weil die Sprache Vergänglichkeit und Werden, allgemeiner Prozesse nicht adäquat abbildet. (Künstliche (menschengemachte) Abbildungen - und dazu gehört die Sprache - sind nicht in sich beweglich, sondern die Bewegung wird durch statische Abbilder in schneller Reihenfolge simuliert, wie Klaus Peters gezeigt hat.) Wer sich also auf Prozesse, auf das Werden, auf die Vergänglichkeit "allen Seins" (das also zugleich Nichtsein ist) beruft, der bestreitet, dass die Gegenstände - gleichgültig welche - sprachlich adäquat erfasst werden - nicht weil sie überhaupt nicht erfasst werden können, sondern weil die Sprache zur Erfassung von Prozessen nur beschränkt geeignet ist. Die Sprache ist selbst nicht in sich prozesshaft, im Unterschied zum Denken der Menschen. (Selbstverständlich hat auch die Sprache ihre Geschichte, und ist in dem Sinne prozesshaft. Aber diese Prozesshaftigkeit ist der Sprache äußerlich. Sie kommt in ihr selbst nicht zum Ausdruck. Nebenbei stellen wir hier wieder eine der Merkwürdigkeiten des dogmatischen Marxismus fest, dass er das menschliche Denken, wiewohl gesellschaftliches Produkt, zugleich als "natürlichen Prozess" auffasst. Wer mit dem "etablierten Vernunfttypus" den linguistic turn mitmacht, begibt sich der Möglichkeit, Veränderungen und Bewegungen angemessen zu denken, kann offenbar mit der Vergänglichkeit allen Seins nur beschränkt etwas anfangen, und hat womöglich speziell mit dem Denken der Vergänglichkeit des Kapitalismus so seine Schwierigkeiten.) Wir bedürfen der Sprache um zu denken, aber die Sprache ist zu beschränkt, um Bewegungen, Veränderungen, Prozesse abbilden zu können. Deswegen bedürfen wir für das Denken von Prozessen zugleich einer Kritik der Sprache, die sich sprachlich in sich selbst widersprechenden Sätzen darstellt. Nehmen wir ein "engelsistisches" Beispiel: "Leben ist sterben." Die Sprache ist also ungeeignet, Prozesse abzubilden. So wird also ein Marxist den linguistic turn nicht mitmachen, sondern sich auch in der Kritik der Sprache als Form der Bezugnahme auf die Wirklichkeit üben.
Ingo Elbe kommt nun zu positiv kritischen Argumenten. Er beginnt damit auf folgende Weise: "Engels verengt, ja verzerrt so drei elementare praxisphilosophische Motive von Marx, die auch er teilweise in früheren Schriften noch vertreten hatte: Die Erkenntnis, dass nicht nur der Gegenstand sondern auch die Anschauung desselben historisch praktisch vermittelt, der Geschichte der Produktionsweise nicht äußerlich ist." Ingo Elbe zitiert an dieser Stelle "Die deutsche Ideologie" (MEW Band 3, S. 44.), an der Marx und Engels darauf hinweisen, dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaften in die Geschichte der Industrie verwoben sind, durch die sie ermöglicht, bedingt und bestimmt sind. Diese Einsicht hat der Engels des Engelsismus vergessen, wie Ingo Elbe feststellt: "Dagegen betont Engels später, 'materialistische Naturanschauung' sei 'weiter nichts als einfache Auffassung der Natur so, wie sie sich gibt, ohne jede Zutat.' Der naive Realismus der später von Lenin u. a. systematisierten Widerspiegelungstheorie, die gerade dem verdinglichten Schein der Unmittelbarkeit eines gesellschaftlich Vermittelten, dem Fetischismus des An-sich-seins eines nur durch historisch bestimmten menschlichen Handlungszusammenhang Existierenden verfällt, wird schon hier begründet." Einverstanden, dass Lenins Widerspiegelungstheorie schon hier begründet wird. Aber ist die Charakterisierung dieser Leninschen Theorie als "naiver Realismus" mehr als ein Nachsprechen oder Abschreiben dessen, was auch schon andere geschrieben haben? Hat sich Ingo Elbe davon überzeugt, dass die unmittelbare Aufnahme der Natur, so wie sie sich gibt, die gesellschaftliche und geschichtliche Vermittlung ausschließt? Man kann es nicht wissen. Was man jedoch wissen kann, ist dies: In der dialektischen Philosophie - im speziellen in der Hegels - schließen sich Vermittlung und Unmittelbarkeit sich keineswegs aus. (s. dazu Eva Bockenheimer: Unmittelbarkeit und Vermittlung).
So kann man etwa jede Bewegung als eine Vermittlung von Anfang und Ende in einem Prozess auffassen. Da jede Bewegung - auch wieder einer der merkwürdigen naturdialektischen Gedankengänge - zu Ende geht, mithin die Bewegung ihrer eigenen Aufhebung ist, resultiert sie in einer Ruhe, eben in der aufgehobenen Bewegung. Wie die Bewegung - indem sie sich selbst aufhebt - in der Ruhe - wenn auch nicht in der absoluten Ruhe - resultiert, so kann sich auch die Vermittlung aufheben und zu einer Unmittelbarkeit führen, die vermittelt ist. Diese Behauptung einer "vermittelten Unmittelbarkeit" kann man sich am Beispiel eines traditionellen Schlusses klar machen:
Alle Menschen sind Sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
Also ist Sokrates sterblich.
Es ist unerheblich, ob der Schluss der letzte Schrei ist oder nicht, Jedenfalls wird hier Sokrates durch die Vermittlung des Begriffs Mensch mit dem Begriff der Sterblichkeit zusammengeschlossen oder vermittelt, und zwar so, dass diese Vermittlung im Schlusssatz verschwunden ist (Wie die Bewegung beim Zur Ruhe gekommen Sein verschwunden ist) und zu einem unmittelbaren - wenn auch nicht unvermittelten - Zusammenschluss von Sokrates mit der Sterblichkeit führt. Es dreht sich hier nicht um Originalität, Richtigkeit oder Pfiffigkeit dieses Schlusses, sondern lediglich darum, ob Vermittlung Unmittelbarkeit absolut ausschließt. zumindest in diesem Beispiel ist dies nicht der Fall ist. Vielleicht lohnt es sich, auch bei anderen Unmittelbarkeit zu durchdenken, ob sie als vermittelt betrachtet werden können und sogar gedacht werden müssen.
Wie steht es nun mit der sozialen Bedingtheit der Erkenntnis? Es liegt schon im Begriff der Erkenntnis, dass sie eine geschichtlicher und damit ein gesellschaftlich vielfach vermittelter Prozess ist. Was kann also mit der Bemerkung gemeint sein, die Engels in Bezug auf "die einfache Anschauung der Natur, wie sie sich gibt, ohne fremde Zutat" macht? Um sich das verständlich zu machen, kann man sich eine Frage stellen: Sind die gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse den natürlichen Gegenständen angemessener als etwa die Vorstellung, dass im Blitz das Wirken eines Gottes zum Ausdruck kommt? Ich würde diese Frage bejahen. Dennoch würde ich zugleich behaupten, dass diese gegenwärtige naturwissenschaftliche Erkenntnis geschichtlich vermittelt ist, ja dass sie ohne die Geschichte und die Industrie des Kapitalismus nicht vorhanden wäre. Dass also die Naturerkenntnis vermittelt ist, bedeutet nicht, dass sie daher mit unserer Zutat erkannt wird, sondern umgekehrt, dass wir in der Lage sind, mehr und mehr die Objekte selbst zu erkennen. Um das nachzuvollziehen, ist es vielleicht nützlich, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Lenin - wie Ingo Elbe behauptet - einem "naiven Realismus" das Wort redet. Danach verstehen wir vielleicht besser, wie man auf die Idee kommen kann, dass durch den wissenschaftlichen Fortschritt und die entsprechende vermittelnde Bewegung Gegenstände unmittelbar erkannt werden können, ohne "fremde Zutat". Denn dann werden wir denken können, wenn wir das denken wollen, dass die vermittelnden Formen wissenschaftlichen Erkennens es uns erlauben, die Gegenstände möglichst als solche - ohne Zutaten zu erkennen, während das Fehlen naturwissenschaftlicher Erkenntnisformen im Gegenteil - nach unserem gegenwärtigen Erkenntnisstand - solche Zutaten in der Erkenntnis mit sich bringen. (Das schließt nicht aus, sondern im Gegenteil
meinte selbstverständlich nicht, dass man davon ausgehen solle, dass wir die Natur einfach so zu erkennen in der Lage seien. Er meinte vielmehr, dass wir die Vermittlungsformen der Erkenntnis nicht mit dem zu erkennenden Gegenstand verwechseln oder identifizieren sollten. Deswegen brauchen wir ein Vordringen zu Erkenntnissen der Natur,die unsere "Zutaten" bei der Naturauffassung aufheben. Wir brauchen Formen der Erkenntnis, die es uns erlauben, die Natur so zu erkennen, wie sie ist. Es soll Zeiten gegeben haben, und mancherorts liegen sie . weman hört - noch heute vor, in denen Menschen in der Natur übernatürliche Kräfte am Werk sahen. Das ist, wie mir scheinen will, keine materialistische Auffassung der Natur, so wie sie sich gibt. Es wären nun eine Reihe weiterer Formen zu analysieren, in denen die Natur nicht aufgefasst wird, wie sie sich gibt, sondern mit den spezifischen und unreflektierten Vermittlungsformen, die als zum Gegenstand gehörig aufgefasst werden. Dieses Zutun zum Gegenstand der Naturwissenschaften hinzuzuerkennen, das ist nicht wissenschaftlich. Das entspricht nicht der materialistischen Naturauffassung. Es mussafgehoben, überwunden werden.
Ein gutes Beispiel bietet hier tatsächlich die Lenin'sche Widerspiegelungstheorie und zwar gerade das oft geschmähte Bild der Erkenntnis als einer "Fotokopie" des zu erkennenden Gegenstandes. Zunächst fällt daran auf, dass die Einbettung in die industrielle Enticklung in dem Bild enthalten ist, ebenso die praktische gesellschaftliche Vermittlung. Denn Fotokopieren ist doch wohl ein Vorgang, der gesellschaftlich vermittelt ist, der eingebettet ist in die industrielle Entwicklung. Dann aber zeigt sich, dass Lenin offenbar ein bestimmtes - nämlich das gegenwärtige - Niveau dieser Entwicklung nutzt, um es als fähig zu bezeichnen, ein Bild für objektgemäße Erkenntnis zu bieten: Nach Lenin ist es eine subjektive Fähigkeit, die erarbeitet werden muss, eine objektgemäße Erkenntnis -im Bild ausgedrückt eine Fotokopie - zu erreichen. Eine solche Fähigkeit hat man nicht unmittelbar, und hatte auch die Menschen in ihrer Geschichte nicht unmittelbar. Sie ist vermittelt. Aber diese Vermittlung ist verschwunden: In der Fotokopie sehen wir nicht den Kopierer, sondern nur die Kopie,und je besser die Kopie, desto weniger sehen wir vom Kopierer. Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, dass es keines Kopierers bedürfte, um eine Fotokopie herzustellen. Es bedeutet lediglich, dass der Kopierer sich beim Anblick des Bildes nicht störend bemerkbar macht. Das subjektive Moment der Erkenntnis ist also die Fähigkeit zur objektgemäßen Erkenntnis, wenn man dieses Bild übertragen will. Eskommtalso aufdas Subjekt der Erkenntnis durchaus an, wenn es nach der Widerspiegeltungstheorie geht.
Aber die Frage bleibt, was es mitdem Bild auf sich hat. Wollen denn Engels und Lenin tatsächlich behaupten, dass das Denken ein Bild ist,in Bildern vor sich geht oder dergleiche?