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Version vom 2. Juni 2007, 15:09 Uhr

Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod"
Eine Filminterpretation
von Stephan Siemens
Druck Version


Um einen Film zu verstehen, braucht man ihn nicht zu interpretieren. Wer den Film bis zu seinem Ende verfolgt, versteht ihn. Sonst würde er ihn sich nicht zu Ende angucken. Insofern stellt sich die Frage: Muss das eigentlich sein? Muss man über einen solchen Film philosophieren? Nein, das muss man nicht. Aber vielleicht macht es Spaß. Denn eine Filminterpretation dient nicht dem Verständnis des Films. Sie setzt vielmehr voraus, dass alle, die über den Film reden oder schreiben, zuhören oder Interpretationen lesen, den Film verstanden haben. Denn bei einer Interpretation handelt es sich nicht darum, den Film zu verstehen, sondern darum, zu verstehen, was man verstanden hat, als man den Film verstand. Man will aus dem Verständnis des Films etwas für sein Leben lernen, und macht sich deswegen klar, was man beim Betrachten des Films verstanden hat.

Deswegen geht dabei das unmittelbare Erlebnis des Films selbst verloren. Man beschäftigt sich ja nicht mehr mit dem Film selbst. Der Genuss der Bilder weicht einem - vielleicht trocken wirkenden - Nachdenken über den Film. Was kann diesen Verlust ersetzen? Meine Antwort lautet: Das Nachdenken über das eigene Leben. Was würde sich mehr lohnen, als etwas über das eigene Leben zu lernen. Wenn man etwas über sich selbst lernt, tut man das um seiner selbst willen, sowohl um des Lernens willen, wie um sich selbst zu verstehen. So etwas tut man nicht, weil es notwendig ist, sondern aus freien Stücken. Man muss den Film nicht interpretieren, aber man kann es. Wenn man es tut, dann nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Freiheit. Wenn man wirklich etwas über sich und sein Leben lernt, dann macht das Spaß, auch wenn das unmittelbare Erlebnis des Films einen Reiz ganz eigener Art hat, der durch eine Interpretation nicht gefördert werden kann, sondern in gewissem Sinne sogar eingeschränkt wird.

1. Die Eisenbahn überrollt alle

Der Film beginnt schleppend, ja teilweise quälend langsam. Drei verwegene Typen in langen Mänteln tauchen auf einem öden verlassenen Bahnhof auf. Sie sperren den Bahnhofsvorsteher ein. Eine ihm offenbar zugehende Indianerin flüchtet. Die Drei warten angespannt - offenbar auf einen Zug. Zahllose Schwellen liegen herum, Hinweise auf einen Eisenbahnbau. Wasser tropft aus einem Behälter in den Hut eines der drei verwegenen Typen. Der Mann geht behutsam mit dem Wasser um. Er fängt es mit der Hutkrempe auf und trinkt es. Um den Bahnhof herum ist weites Land, Wüste. Der Boden ist sehr trocken. Der Wind wirbelt Staub auf.

Eisenbahn, Wüste, Wasser, das sind die äußeren Bedingungen, unter denen die Handlung des Films spielt. Diese Bedingungen werden in aller Ausführlichkeit gezeigt, während die drei Typen auf den Zug warten. Die Eisenbahn ist auf Wasser angewiesen. In der Wüste ist Wasser selten und kostbar. Das Verhältnis von Eisenbahn und Wasser in der Wüste, wo es selten Wasser gibt, ermöglicht und bedingt die ganze Handlung des Films. Diese Bedingungen werden ausführlich gezeigt, während die Drei auf den Zug warten, und der Zuschauer darauf, dass endlich etwas passiert.

Plötzlich pfeift es. Ein Zug rollt sehr laut donnernd scheinbar über die Zuschauer des Films hinweg. Man erschrickt, ein Schrecken, der an einen Todesschreck erinnert, und der das Hauptthema des Films anschlägt: Die Eisenbahn überrollt alle, die ganze Welt des Westens. Das Leben aller beteiligten Personen wird sich verändern; alle Werte und Maßstäbe des Handelns und Urteilens werden nach dem Bau der Eisenbahn andere sein als zuvor. Die Zuschauer werden durch diesen Schreck in die Welt des Westens versetzt und ebenso von der Eisenbahn überrollt.

Denn der Bau der Eisenbahn von Flagstone nach Sweetwater ist die Rahmenhandlung des Films. In der dritten Szene lässt sich Jill Mc Bain vom Kutscher Sam von Flagstone nach Sweetwater fahren; am Schluss des Films trifft der Zug von Flagstone in Sweetwater ein. Diese Veränderung bestimmt das Handeln aller Personen im Film. Es ist nicht eine beiläufige Veränderung, sondern der Untergang einer Welt und die Entstehung einer neuen.

2. Die alte und die neue Welt

Die alte Welt lässt sich charakterisieren durch den Wirt der Spelunke, in der Sam und Jill Mc Bain in der dritten Szene pausieren, den Kutscher Sam und vor allem durch Cheyenne, der die alte Welt beherrscht. Die Menschen der alten Welt sind die Farmer, wie sie etwa auf der geplanten Hochzeit Mc Bains auftauchen, die sich dann als Beerdigung herausstellt, die Menschen in der Spelunke, deren Wirt oben schon angeführt wurde, sowie die Halunken, die mit Cheyenne herumziehen.

Die neu entstehende Welt wird bestimmt durch die Eisenbahn und das Geld, beherrscht von Morton, teils mit Geld, teils mit Gewalt, die Frank für Morton ausübt. Mit der neuen Welt kommt auch das ins Land, was der Kutscher Sam bei der Begegnung mit den Bauarbeitern der Eisenbahn "Gesindel" nennt (Er sagt: "Es kommt jetzt immer mehr Gesindel ins Land."). Er meint Habenichtse, Arbeiter, Proletarier. Denn die Eisenbahn kann nur durch eine organisierte Kraftanstrengung gebaut werden. Sie setzt gesellschaftliche Produktion voraus. Zudem gehören zu den die neue Welt bestimmenden Menschen die Geschäftsleute von Flagstone, die den Hintergrund der Ankunft Jills in Flagstone ebenso bilden, wie die Kulisse der Versteigerung der Farm in Flagstone.

Der Übergang von der alten Welt zur neuen Welt, wie er die beteiligten Personen überrollt, wird in dem Film dargestellt. Deswegen ist der Schreck der Zuschauer, dieses Bild einer Todeserfahrung, eine Form, die Zuschauer in die Handlung des Films einzubeziehen und das Hauptthema des Films anklingen und ästhetisch spürbar werden zu lassen.

3. Der Plan Mc Bains

Diesen Übergang der alten in die neue Welt will sich Mc Bain für ein großes Geschäft zunutze machen. Er erkennt, dass die Eisenbahn vom Atlantik zum Pazifik geführt werden soll. Er weiß, dass dazwischen ein großes Gebiet Wüste liegt, durch das die Eisenbahn hindurchfahren muss. Als Dampfeisenbahn braucht sie Wasser, das es in der Wüste selten gibt. Da Mc Bain erkennt, dass die Trasse der Eisenbahn von Flagstone nach Westen weitergehen muss, kauft er sich westlich von Flagstone ein Stück Wüste, scheinbar wertloses Land, das aber über Wasser verfügt, die einzige Quelle im Umkreis von 50 Meilen. Hier muss die Eisenbahn entlang fahren, weil sie dieses Wasser braucht. Und dann wartet Mc Bain auf die Eisenbahn.

Aber Mc Bain muss auch vorsichtig sein. Er tut so, als sei er Farmer. Alle glauben ihm, und sogar Jill Mc Bain denkt dies, als sie aus New Orleans anreist. Aber Mc Bain plant nicht den Bau einer großen Farm, sondern er plant die Vermarktung des Wassers, den Bahnhof und eine Stadt, die sich entwickeln wird, wenn der Bahnhof erst einmal existiert. Mc Bain ist nicht Farmer, sondern Bodenspekulant. Er will sich dadurch unentbehrlich machen, dass das Wasser, das die Eisenbahn braucht, sich in seinem Eigentum befindet. Die Eisenbahn ist gezwungen, von diesem Wasser Gebrauch zu machen. Sie muss dort anhalten, um ihr Wasser aufzufüllen. Also entsteht an dieser Stelle ein Bahnhof und mit dem Bahnhof mit der Zeit eine Stadt, Mc Bains Stadt, Sweetwater.

Mc Bain hält seinen Plan geheim. Er verstellt sich allen gegenüber als ein bloßer Farmer, der verrückter Weise ein Stück Wüste zu kultivieren versucht. Er hat allen Grund zur Vorsicht. Denn wer versteht, was Mc Bain will, könnte selbst versuchen, das Geschäft zu machen. Er müsste nur Mc Bain beseitigen und sich in den Besitz der Quelle bringen. Gerade weil nun die große Zeit gekommen ist, in der sich sein Plan erfüllt, muss Mc Bain misstrauisch sein. Mc Bain hat das Baumaterial bestellt. Er lässt Jill nachkommen, die er in New Orleans geheiratet hat, und möchte nun auch öffentlich Hochzeit feiern. Heute ist der große Tag. Gerade deswegen muss er sehr vorsichtig sein. Wenn die Grillen aufhören zu zirpen, lauscht er angespannt. Er weiß, dass er und seine Kinder gefährdet sind. Denn seine Bodenspekula-tion ist dem Eigentümer der Eisenbahn ein Dorn im Auge. Er wird von Mc Bain abhängig, wenn es ihm gelingt sein Recht zu behaupten, indem er rechtzeitig einen Bahnhof baut, an dem die Eisenbahn mit Wasser versorgt werden kann. Tatsächlich werden Mc Bain und alle seine Kinder von Frank und seinen Leuten umgebracht. Es darf keiner übrig bleiben. Nur wenn alle Erben tot sind, ist der Plan von Mc Bain vereitelt. Sobald Erben bleiben, besteht auch die Trennung der Eisenbahn von dem Wasser fort, und damit die Voraussetzung für Mc Bains Pan. Der Bodenspekulant Mc Bain stirbt, weil seine Bodenspekulation erfolgreich ist, zu erfolgreich in den Augen von Morton und Frank. Mc Bain lebt und stirbt als Bodenspekulant.

Mc Bain war ein anständiger Mensch, der keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte, wie Jill gegenüber Cheyenne erklärt. Mc Bain und seine Kinder erhalten ein Grab, wie Cheyenne, der anständige Bandit. Sie sind der Erinnerung der Menschheit würdig, und werden deshalb begraben. Die anderen Leichen bleiben im Sand liegen. Wer weiß, was aus ihnen wird...

Aber das Leben geht weiter. Solange die Trennung von Eisenbahn und Wasser fortbesteht, und damit die Voraussetzungen für den Plan Mc Bains, kann jeder beliebige Mensch in die Rolle Mc Bains schlüpfen, wenn er nur den Plan erfasst und versteht. So wollen nach Mc Bains Tod zunächst Jill, dann sogar Frank und schließlich auch Cheyenne den Plan Mc Bains realisieren. Schließlich ist es Jill, die den Plan umsetzen wird. Der Plan hängt an dem nun in der Hand von Jill befindlichen Eigentumstitel, nicht an der Person, die ihn entwickelt hat. Die Menschen sind, was diesen Plan betrifft, austauschbar. Ihre Interessen ergeben sich, so betrachtet, nicht aus der Individualität der beteiligten Menschen, sondern aus dem Verhältnis der Eisenbahn zu Wasser in der Wüste. Die Menschen sind, wenn sie nur den Plan erkennen und sich in Besitz von Sweetwater bringen können, austauschbar. Auf die Individualität dieser Menschen kommt es - was den Plan betrifft - nicht an.

Der Film entwickelt also die Bedeutung des Übergangs von der alten Welt des sogenannten wilden Westens zur zivilisierten Welt der USA durch die Eisenbahn anhand der Auseinandersetzung um den Plan Mc Bains. Alle Hauptfiguren beziehen sich auf den Plan Mc Bains und bauen ihre Handlungsweise auf diesen Plan auf. Denn dieser Plan entspricht den objektiven Gegebenheiten, und bezieht daraus eine Wirkung über die beteiligten Individuen hinaus. Ja, es stellt sich heraus, dass der Plan eine Dynamik erreicht, die umgekehrt die beteiligten Individuen in ihrem Handeln bestimmt.

Die handelnden Personen lassen sich deswegen am besten erfassen, wenn man sie auf den Bau der Eisenbahn im Allgemeinen und auf den Plan Mc Bains im Besonderen bezieht. Der Film erzählt zunächst von der alten Welt und führt mehr und mehr in die neue Welt ein. Dem folgt diese Interpretation, indem sie von den in der alten Welt handelnden Personen ausgeht.

4. Die Repräsentanten der alten Welt

a) Der Kneipier

In der dritten Szene bringt der Kutscher Sam Jill Mc Bain zur angeblichen Farm Sweetwater. Unterwegs rasten die beiden in einer Spelunke, deren Wirt bewundernd die Augen aufreißt, als er Jill sieht. So eine Frau ist in der Wüste selten. Jill verlangt nach Wasser. Der Wirt sagt: "Manche Leute werden ganz nervös, wenn sie Wasser hören." Er weiß um die Bedeutung von Wasser in der Wüste. Schließlich lebt er davon, welches zu verkaufen. Allerdings braucht Jill das Wasser nicht zum Trinken, sondern um sich damit zu waschen. Der Wirt bietet ihr gebrauchtes Wasser an. "Ja!" sagt er, "Sie sind was Besseres gewöhnt. Sie sind bestimmt aus `ner Stadt im Osten." Jill kommt aus New Orleans. New Orleans! Der Wirt ist begeistert. Denn in New Orleans führt eine Cousine von ihm ein Etablissement. - Der Wirt unterbricht seine Darstellung, weil Cheyenne auftritt, auf den er gebannt blickt. Wie alle in der Spelunke wird er beherrscht von seiner Angst vor Cheyenne. Doch kaum ist Cheyenne draußen, fällt der Wirt in seine alte Gemütlichkeit zurück. Sie, seine Cousine will dass er dahin kommt, um ihr zu helfen. Aber er will nicht in die Stadt, er will hier bleiben. Hier fühlt er sich wohl, und er grinst breit, ein Grinsen, das in merkwürdigem Kontrast zu der eben gezeigten Angst vor Cheyenne steht. Der Wirt verdrängt solche Szenen offenbar ebenso wie die Eisenbahn. Oder er merkt nicht, dass mit der Eisenbahn, die unmittelbar in seiner Nähe gebaut wird, seine Nische hinfällig wird. Er braucht nicht mehr zur Stadt zu gehen. Mit der Eisenbahn kommt die Stadt zu ihm und macht seiner Nische den Garaus. Eben dieser Erkenntnis verweigert sich der Wirt und verharrt in einer aufgesetzt wirkenden Gemütlichkeit. b) Der Kutscher Sam

Sam verweigert sich dieser Erkenntnis nicht. Er weiß, dass die Eisenbahn kommt und er ist gegen sie. Als er mit Jill an der Eisenbahnbaustelle vorüberfährt, peitscht er auf sein Pferd Lafayette ein: "Streck noch mal die müden Knochen, Lafayette!" ruft er aus. Die Arbeiter bringen sich und die Geräte in Sicherheit. Sam gerät in Wut. Die Rebellion erfasst ihn, bleibt aber hilflos. Besonders ärgert ihn, dass mit der Eisenbahn "Gesindel" wie er sich ausdrückt, in die Gegend kommt. Er meint damit Habenichtse, Arbeiter, Proletarier. Sam spürt die Konkurrenz der Eisenbahn. Als er bei der Spelunke anhält, stellt Jill unwirsch fest, dass sie es eilig hat. Darauf fragt Sam: "Halten die Dreckszüge etwa nicht?"

Doch, die Züge müssen halten, weil sie Wasser brauchen. Aber dieser Zusammenhang öffnet Sam nicht die Augen über Sweetwater. Er kann den Plan Mc Bains nicht verstehen. Er hält Mc Bain für verrückt, weil er ein wertloses Stück Land in der Wüste gekauft hat. "Da wird nie etwas draus!" Obwohl der Name Sweetwater ihn besonders auf den eigentlichen Zweck dessen aufmerksam machen müsste, was Mc Bain vorhat, ist gerade dieser Name für Sam ein Zeichen, dass Mc Bain nicht alle Tassen im Schrank hat. Sam kann den Plan Mc Bains nicht verstehen. Denn er lehnt die Eisenbahn rundweg ab. Er bleibt der alten Welt verhaftet und sieht deswegen die sich eröffnenden Perspektiven nicht. Selbst als er vor dem Baumaterial steht, und sagt, dass das für einen Palast reicht, versteht er nicht, was Mc Bain vorhatte. Aber Jill versteht den Plan und eilt auf die Farm, um noch einmal die Spielzeugeisenbahn und die Spielzeugstadt zu suchen. Jetzt weiß Jill, worauf Mc Bain seine Zuversicht gestützt hatte, als er sie von New Orleans nach Sweetwater zu holen beschloss.

c) Cheyenne

Auch Cheyenne versteht den Plan Mc Bains zunächst nicht. Eigentlich hat er mit der ganzen Sache nichts zu tun. Aber Frank gibt sich und seine Leute als Leute von Cheyenne aus, indem er sie verkleidet. Frank will Cheyenne seine Taten in die Schuhe schieben. Dafür will Cheyenne sich rächen. Dazu muss er den wahren Mörder Mc Bains finden. So wird er in die Sache verwickelt. Die Suche nach dem wahren Mörder Mc Bains bringt Cheyenne auf die Frage, warum Mc Bain überhaupt umgebracht wurde.

Cheyenne ist der Herr der alten Welt. Er fordert die Dienstbarkeit anderer. Er fragt: "Na, was ist?" und "Ist mein Kaffee fertig!" Er geht selbstverständlich davon aus, dass die anderen sich seinen unausgesprochenen und ausgesprochenen Anordnungen fügen. Denn Cheyenne fürchtet den Tod nicht, wie die eindrucksvolle Szene seiner Selbstbefreiung zeigt. Er befreit sich selbst von den Schergen des Sheriffs, was man nicht sieht. Dann aber befreit er sich auch von seinen Handschellen vermittelst der Überwindung seiner Todesangst. Er begibt sich selbst in Todesgefahr und verlässt sich auf die Todesangst seines unfreiwilligen Befreiers. Dies tut er auch zur Demonstration gegenüber anderen, speziell gegenüber dem Fremden, den er Mundharmonika nennt, und der sich der allgemeinen Erstarrung aus Angst vor Cheyenne entzieht. Cheyenne ist ein Vorbild für seine Leute. Was er von ihnen verlangt, das macht er auch selbst. Er muss sich nicht auf seine Leute verlassen, kann es aber eben deswegen im Allgemeinen. Cheyenne geht mit gutem Beispiel voran und scheut keine Gefahr.

Cheyenne ist ein anständiger Bandit. Seine Leute begehen keine Massaker. Er kann nicht auf Krüppel, Frauen, wehrlose Menschen oder Pfarrer schießen. Entrüstet fragt er Jill: "Hältst Du mich für so ein Schwein? Traust Du mir das zu?" Er tritt nur Gegnern gegenüber, die - jedenfalls im Prinzip - dieselbe Chance haben, wie er selbst. Cheyenne neigt dazu, die Kampffähigkeit in diesem Sinne zu überschätzen, wie sich herausstellt. Für ihn sind nur diejenigen Gegner, die sich selbst offen mit der Waffe zu verteidigen in der Lage sind. Nur gegen solche Leute, nicht gegen Wehrlose, erhebt Cheyenne die Waffe.

Cheyenne hat einen geradezu unheimlichen Instinkt für die Situation. Dieser Instinkt ist derart charakteristisch, dass er das Thema seiner Melodie bildet. Als er in der Spelunke angegriffen werden soll, spürt er das und wendet die Gefahr ab, indem er mit seinen Fingern einen Revolver nachahmt. Der potentielle Schütze ist derart überrascht, dass Cheyenne überhaupt bemerkt hat, was er vorhat, dass er die Lust an einer weiteren Konfrontation verliert. Das nützt ihm nichts: Cheyenne spürt auch diese Angst und sucht sich ihn als unfreiwilligen Befreier von seinen Handschellen aus. Auch Jill bekommt diesen Instinkt zu spüren, als sie - durch das riesige Messer veranlasst - überlegt, ob sie sich Cheyennes entledigen könnte. Mit bloßen Worten, die jedoch mit drohendem Unterton verbunden sind, bringt Cheyenne sie dazu, den Plan fallen zu lassen, weil er ihn durchschaut hat. Cheyenne ist gewitzt. Seine Aktionen sind durchaus nicht ohne Humor, auch die brutalen, wie seine Befreiung Mundharmonikas aus dem Salonwagen. Es fehlt Cheyenne an Bildung und Wissen. Er weiß nicht, dass tausend mal tausend eine Million sind; er weiß nicht, dass Judas Silberlinge und nicht Dollars erhielt; er durchschaut den Plan Mc Bains auch nicht, als er alle Voraussetzun-gen dafür kennt. Er muss sich den Plan von Mundharmonika erklären lassen. Alle Figuren der alten Welt, das gilt auch für ihren Beherrscher, sind beschränkt. Aber Cheyenne lässt sich belehren. Er will sich auf die neue Welt einstellen.

Cheyenne ist in der Lage, andere Menschen anzuerkennen. Er anerkennt Jill mit den Worten: "Du kochst bestimmt ´n guten Kaffee!" und durch den fortgesetzten Vergleich mit seiner Mutter. Auch wenn dies eine etwas altertümliche Weise ist, eine Frau anzuerkennen - und ihr sogar zu sagen, dass man sie liebt -, so ist dies doch eine Form der Anerkennung, die der alten Welt entspricht. Seine Form, sich zu Frauen zu verhalten und ihnen seine Neigungen und Gefühle zu zeigen, entsprechen der Welt, deren Herr Cheyenne ist. Jill kommt aus der Stadt, aus einer anderen Welt. Cheyenne erreicht sie letztlich nicht. Er erkennt auch Mundhar-monika an, diesmal mit den Worten: "Du bist besser, als ich dachte!" Auch dies ist eine der alten Welt entsprechende Anerkennung. In Cheyennes Welt ist die Waffe noch das entscheidende Mittel, um seinen Willen durchzusetzen. Aber Cheyenne ist auch in der Lage zu erkennen, dass sich das ändert. Als er mit Hilfe Mundharmonikas den Plan Mc Bains durchschaut, ruft er seine Leute auf, einen Bahnhof zu bauen: "Was steht ihr hier noch rum, ihr Strauchdiebe! An die Arbeit!". Er weiß: "Mit ´nem Bahnhof fängt alles an." Er will sich auf die neue Welt einlassen. Er will dazulernen. Er mag auch Jill, ja er liebt sie sogar. Er bietet sich ihr an, um mit ihr in Sweetwater zu leben, wenn er auch erst den Mut dazu findet, als er weiß, dass er sterben wird.

Zunächst versteht Cheyenne nicht, was gespielt wird. Er erhält eine Warnung von Mundharmonika, dass andere Männer in der Verkleidung der Männer Cheyennes Dinge tun, die Cheyenne nie zulassen würde. Dann wird ihm der Mord an Mc Bain in die Schuhe geschoben. Cheyenne sucht nach dem wahren Mörder. Er versteht den Plan Mc Bains nicht. Aber er weiß, dass er das Motiv des Mordes an Mc Bain nicht kapiert. So kommt er an die Frage, die sich auch der Zuschauer stellt: Warum wurde Mc Bain erschossen? Diese Frage führt ihn auf die Farm zu Jill. Er verlangt Kaffee und fragt, ob sie etwas weiß. Selbstverständlich vermutet er Geld, ja sogar Gold als Motiv des Mordes. Als er Mundharmonika verdächtigt, provoziert Jill ihn: "Wenn einer das beurteilen kann, dann Sie. Sie sind ja Experte!" Darauf zeigt Cheyenne sein anderes Gesicht und droht Jill. Aber Jill lässt sich nicht beeindrucken. Das imponiert Cheyenne so, dass er Jill anerkennt und verstehen lernt. Als sie ihm von den Hoffnungen erzählt, mit denen sie nach Sweetwater kam, antwortet er: "Du hast was Besseres verdient." Jill sagt: "Der letzte Mann, der das zu mit gesagt hat, liegt jetzt da draußen." So wird es auch Cheyenne ergehen.

Nachdem Cheyenne zugesehen hat, wie Mundharmonika die Leute Franks erschießt, die nunmehr Jill umbringen sollten, heftet er sich an die Fersen Mundharmonikas. Der führt ihn schließlich zu dem Salonwagen Mortons, unter dem er sich versteckt. Er befreit Mundharmonika und sieht zum ersten Mal Morton, der ihn am Ende tödlich verletzen wird. Zunächst will er sich ihm zuwenden. Aber Mundharmonika drängt zur Eile, damit Frank keinen zu großen Vorsprung erhält. Zudem ist Morton ein Krüppel. " Du läufst mir nicht weg. Ich brauche nur den Schienen zu folgen. Die sind für mich eine glänzende Spur." Aber Cheyenne unterschätzt Morton, weil er ein Krüppel ist. An dieser Unterschätzung, die mit seinem Anstand verbunden ist, wird Cheyenne zugrunde gehen. Cheyenne reitet mit Mundharmonika nach Sweetwater und lässt sich dort vom ihm den Plan Mc Bains erklären. Er wittert das Geld, das in diesem Plan steckt, und fordert seine Leute auf, den Bahnhof zu bauen, für den Mc Bain das Material bestellt hat. Jill hat es in Sweetwater bereitlegen lassen. "Mit der Witwe Mc Bain muss man doch ins Geschäft kommen können."

Aber Jill ist verschwunden und wird von Frank gezwungen, Sweetwater versteigern zu lassen. Frank kontrolliert diese Versteigerung mit Waffengewalt. Er verhindert so, dass sein Gebot von 500 Dollar überboten wird. Doch der Plan wird durchkreuzt: Mundharmonika bietet 5000 Dollar, nämlich den Kopf Cheyennes, auf den eine entsprechende Belohnung ausgesetzt ist. Cheyenne nimmt diesen "Verrat" gelassen. Er weiß, dass seine Leute ihn befreien werden. Die Zuschauer gewinnen mit recht den Eindruck, dass sich Cheyenne und Mundharmonika auf dieses Vorgehen verständigt haben. Es erklingt die Melodie Cheyennes. Offenbar hat Cheyenne diesen Plan selbst entwickelt, um Sweetwater für ein gemeinsames Leben mit Jill zu sichern, wie der weitere Film zeigt.

Cheyenne wird von seinen Leuten aus dem Zug befreit. Er reitet mit ihnen zur Abrechnung mit den Leuten Franks, bei der alle, letztlich auch Morton und Cheyenne, umkommen, deren Tod jedoch erst später eintritt. Cheyenne reitet noch einmal nach Sweetwater, obwohl er schon tödlich verletzt ist. Er möchte wohl wissen, ob Jill dort ist, ob der Plan geklappt hat. Sollte dies der Fall sein, will er zusätzlich Jill zu einer Erklärung bezüglich seiner Gefühle für sie bewegen. Aber er muss feststellen, dass Jill nur an Mundharmonika interessiert ist, ein Interesse, welches - das weiß Cheyenne - unbeantwortet bleiben wird. Cheyenne verlässt mit Mundharmonika die Baustelle und stirbt. Er stirbt, weil er einen Moment nicht aufgepasst hat und auf Krüppel nicht schießen kann. Aber er hat Morton unterschätzt. Als anständiger Bandit geht er an seiner Anständigkeit zugrunde. Er stirbt nicht schnell, sondern langsam und qualvoll. Aber er hält den Schmerz tapfer aus. Er möchte nicht dass Mundharmonika ihm zusieht, wie er krepiert. Mundharmonika bleibt in seiner Nähe, wendet sich aber ab. Cheyennes Musik verstummt mit seinem Tod.

Cheyennes Leichnam bleibt nicht im Staub liegen, wie die meisten anderen Leichen in diesem Film. Mundharmonika hievt Cheyennes Leiche auf dessen Pferd und reitet mit ihr davon. Der Leiche Cheyennes nimmt sich einer an. Er wird im Tod von der verbliebenen Menschheit erinnert, ähnlich wie Mc Bain. Mundharmonika erweist ihm, indem er seinen Leichnam mitnimmt, die letzte Ehre, indem er ihn zugleich in die Erinnerung der Menschheit aufnimmt. Denn Cheyenne ist ein anständiger Bandit, der nicht auf Krüppel schießen kann, der Krüppel nicht als Gegner ernstnehmen kann. Darin erweist er sich, wie in so Vielem, als der alten Welt verhaftet, in der es auf Körperkraft, Umgang mit Waffen, Geschicklichkeit, Instinkt für körperliche Gefahren und Ähnliches ankommt. Er ist zu anständig für die neue Welt. In der neuen Welt herrschen andere Gesetze, müssen Menschen aus anderen Gründen ernstgenom-men werden, wie ihm Morton zeigt. Als Cheyenne gestorben ist, fährt die Eisenbahn in Sweetwater ein. Die alte Welt ist vergangen. Der Herr der alten Welt stirbt mit ihr. Er hatte versucht, mittels des Plans von Mc Bain in der neuen Welt Fuß zu fassen. Dies ist insofern gelungen, als er dazu beigetragen hat, dass der Plan Mc Bains gelingt. Aber Cheyenne hat nichts davon, weil er sein Leben lassen muss. Er kann mit Jill nicht ins Geschäft kommen, weil er vorher von Morton erschossen wurde. Und er kann die Liebe Jills nicht gewinnen. Aber er erlebt noch, wie sein Plan aufgeht, weil seine Leute den Bahnhof gebaut haben, weil er sich hat ausliefern lassen, um mit dem Lösegeld Sweetwater zu erwerben. Der Plan Mc Bains gelingt, aber weder Mc Bain selbst noch Cheyenne haben etwas davon.

Mit dem Tod Cheyennes ist die alte Welt untergegangen. Ihre Repräsentanten sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft zu erkennen, was der Plan Mc Bains ist - auch dann nicht, als sie über alle erforderlichen Informationen verfügen. Während der Wirt der Spelunke nicht einmal die Bedeutung der Eisenbahn wahrzunehmen in der Lage ist, verschließt sich Sam dieser Veränderung nicht. Er spürt die Veränderung, die mit dem Bau der Eisenbahn einhergeht, aber er lehnt sie ab. Deswegen kann er die darin liegenden Perspektiven nicht erkennen und also den Plan Mc Bains nicht verstehen. Dies aber kann er wiederum nicht erkennen, dass er etwas nicht versteht, sondern er hält Mc Bain schlicht für verrückt. Seine Befangenheit in der alten Welt und seine Beschränktheit verhindern dies. Befangen in der alten Welt ist auch Cheyenne. Auch er versteht den Plan Mc Bains nicht, aber er weiß, dass er ihn nicht versteht. Er sucht nach dem Motiv, das zum Mord an Mc Bain führte. Auch er bleibt aber beschränkt. Selbst als er alle Informationen hat, um den Plan zu verstehen, versteht er ihn nicht. Als er ihn erklärt bekommt, versucht er seinerseits, den Plan zu realisieren. Er versucht Anschluss an die neue Welt zu gewinnen, aber er scheitert, weil er der alten Welt angehört, wie sich in seinem Umgang mit vermeintlich "Wehrlosen" und mit Frauen zeigt.

5. Die Repräsentanten der neuen Welt

Der Untergang der alten Welt ist nur die eine Seite des im Film dargestellten Prozesses. Denn der Untergang der alten Welt ist zugleich die Durchsetzung der neuen Welt. Die Durch-setzung der neuen Welt ist auf handelnde Personen angewiesen, die ihre Interessen verfolgen und in der neuen Welt neue Perspektiven für sich erkennen. Da ist zunächst Mc Bain selbst, der die Zeichen der Zeit erkannte. Er erwarb sich ein Stück Wüste mit Wasser und wartete auf die Eisenbahn. Sein Plan glückt, aber er selbst erlebt dies nicht. Denn sein Plan hat mit ihm selbst als Individuum keine Verbindung. Er will lediglich die Trennung zwischen der Eisenbahn und dem Wasser für sich ausnutzen, eine Trennung, die auf dem Privateigentum beruht. Alles, was dafür gebraucht wird, ist ein Eigentümer. Den Eigentümer kann auch jede andere Person, die diesen Plan erkennt, darstellen. Mit der Individualität Mc Bains hat dieser Plan nichts zu tun.

a) Wobbes

Aber Mc Bain ist nicht der einzige, der Interesse am Eintreffen der Bahn hat, weil er sich davon eine Beförderung seiner Geschäfte erhofft. Auch der Wäschereibesitzer Wobbes darf von der Eisenbahn eine Verbesserung seiner geschäftlichen Lage erwarten, an der er sehr interessiert zu sein scheint. Er lässt seine chinesischen Wäscherinnen und Wäscher unter furchtbarsten Bedingungen leben und arbeiten. Er arbeitet selbst im Unternehmen mit, wenn auch nicht als Wäscher, sondern wohl eher als Aufseher und Verkäufer. Er unterstützt die Eisenbahn auf seine Weise.

Er steht von Anfang des Films an in Kontakt mit Frank und Morton. Er hat das angebliche Treffen von Frank und Mundharmonika arrangiert, zu dem Frank nicht gekommen ist. Mundharmonika weiß daher, dass Wobbes mit Frank in Verbindung steht: Er beschwert sich bei Wobbes, dass Frank nicht da war. Zugleich tut Wobbes so, als wisse er von nichts. Er selbst ist es, der den Verdacht im Mordfall Mc Bain auf Cheyenne lenkt, wohl in Absprache mit Frank. Doch als Mundharmonika sagt: "Frank hatte mit Mc Bain zu tun.", antwortet Wobbes: "Das war Cheyenne! Dafür gibt es Beweise.". Doch Mundharmonika weiß, dass Frank seine Leute als Leute von Cheyenne verkleidet. Er hatte Cheyenne in der Spelunke getroffen, als er sich selbst befreite. Daher antwortet Mundharmonika verächtlich: "Das war immer eine Spezialität von Frank, seine Beweise." Wobbes bestreitet seine Beteiligung sowohl am Nichterscheinen Franks, wie seine mitwissende Mitbeteiligung an der Ermordung Mc Bains.

Aber Wobbes ist ein Verräter, und ein Verräter ist immer auch eine Spur zu dem, dem er dienstbar ist und also, was er weiß, verrät. So kann Wobbes, wenn auch ohne es zu wollen, denjenigen verraten, dem er alles verrät, nämlich Frank. Das setzen Jill und Mundharmonika ein, um an Frank heranzukommen. Jill geht zu Wobbes und sagt zu ihm: " Sage Frank, dass ich alles weiß. Sage ihm, dass ich ihn sprechen muss. Es ist wichtig!" Wobbes widerspricht zwar, geht aber aus dem Geschäft zu dem Salonwagen Mortons, um ihm und Frank von der Begegnung mit Jill zu berichten. Frank riecht sofort die Falle, bemerkt den Schatten Mundharmonikas und fährt mit dem Zug in die Wüste, wo er Mundharmonika schnappt. Dann stellt Frank Wobbes zur Rede und schmeißt ihn brutal aus dem Zug. Zunächst will Frank Wobbes offenbar in der Wüste verdursten lassen.

Als aber Wobbes Cheyenne unter dem Zug entdeckt, will er sich noch einmal retten, indem er nun auch Cheyenne verrät. Cheyenne gibt ihm ein Zeichen, dass er still sein soll. Aber Wobbes fängt an zu reden. Frank jedoch will von Wobbes nichts mehr hören und erschießt ihn auf besonders sadistische Weise. Der Verräter stirbt als Verräter, daran, dass er ein Verräter ist, beim Versuch zu verraten. Wobbes stirbt wie er gelebt hat, als Verräter.

b) Morton

Wenn Wobbes Interesse an der Eisenbahn hat, so hält Morton die Eisenbahn direkt für "seine Eisenbahn". Denn Morton ist der Kapitalist der Eisenbahn und damit der Herr der neuen Welt. Bei seinem ersten Auftritt im Film greift er nach einem auf seinem Schreibtisch stehenden Zinnweichensteller und quetscht ihn. Morton hat Rückenmarkstuberkulose und ist kaum noch handlungsfähig. Wie Frank feststellt, verfault er langsam innerlich. Alles, was er macht, muss durch andere geschehen, ein Bild für den großen Kapitalisten, der selber nichts mehr zu tun braucht, aber auch nichts mehr tun kann. Er will mit "seiner Eisenbahn" unbedingt noch zu seinen Lebzeiten - und viel Zeit bleibt ihm nicht mehr - den Pazifik erreichen. In seinem Salonwagen hat er ein Bild des Pazifik aufgehängt, das er als einen Maßstab seines Handelns zur Besinnung auf sein Ziel nutzt. Als er die schwierige Entscheidung treffen muss, sich von Frank zu trennen, steht er vor diesem Bild und sinniert. Das Bild rückt ihm sein eigentliches Ziel vor Augen. Frank hat als Mittel dieses Ziel zu erreichen, ausgedient, weil er sich als Mittel verweigert und Herr seiner selbst werden will, indem er sich gegen Morton stellt und ihn sogar gefangen setzt. Das Bild des Pazifik ruft Morton das Kriterium in den Blick, das ihn zwingt, sich von Frank zu trennen.

Morton hat es eilig. Dinge die ihn aufhalten, stören ihn. Probleme pflegt er zu beseitigen. Dabei spielt von Anfang an auch Gewalt eine Rolle. Von Anfang an hatte er für diese Seite seines Geschäfts Frank an seiner Seite, der die Sachen besorgte, die mit Gewalt zu erledigen waren. Aber Gewalt war für Morton immer nur ein Mittel, seine Ziele durchzusetzen. Das andere Mittel war Geld, die stärkste Waffe, die es gibt, wie Morton meint. Sie beseitigt alle Probleme, auch die schwierigsten. Voller Selbstbewusstsein sagt Morton zu Frank: "Du wirst es nie schaffen, so zu werden wie ich!" Denn Frank kann mit Geld nicht umgehen, sondern nur mit dem Revolver. Für Morton ist Gewalt nur ein Mittel. Deswegen ist er der Boss. "Noch bin ich der Boss hier, und mit welchen Mitteln ich meine Ziele erreiche, entscheide ich!" stellt Morton gegenüber Frank fest.

Doch als der Film einsetzt, entgleitet Frank der Kontrolle Mortons. Er bringt Mc Bain um, obwohl er ihn nur einschüchtern sollte. Solche Eigenmächtigkeiten kosten Morton Zeit. Überdies taucht mit Jill Mc Bain eine Erbin auf, so dass das Problem durch den Mord nicht gelöst wurde. Auch der zweite Versuch, das Problem mit Gewalt zu lösen, scheitert, weil Mundharmonika die von Frank dazu beauftragten Männer erschießt. Morton misstraut Frank, aber er ist sich auch sicher, dass Frank ohne ihn nicht auskommt. Dennoch kann er nicht verhindern, dass sein Salonwagen zunehmend unter die Kontrolle Franks gerät. Zunächst taucht Wobbes gegen die ausdrückliche Weisung von Morton im Salonwagen auf. Dann wird der Salonwagen zu einem Gefängnis für Mundharmonika. Zusätzlich wird Morton von Frank im Salonwagen festgesetzt und bewacht. Dann beherrscht Cheyenne den Salonwagen. Morton muss hilflos zusehen, wie Cheyenne Mundharmonika befreit. Er hat Angst. Aber Cheyenne hat Mitleid mit Morton, weil dieser ein Krüppel ist. Außerdem lenkt Mundharmonika Cheyenne ab, um Frank zu verfolgen. So überlebt Morton diese Situation.

Morton muss sich nun zu Frank bewegen, um in die weitere Entwicklung einzugreifen. Er sagt zu Frank: "Lass die Frau in Ruhe!" Er ist bereit, ihr Sweetwater abzukaufen und jeden Preis dafür zu zahlen. Er hat weder Zeit, sich mit dieser Angelegenheit weiter zu befassen, noch sich mit Frank anzulegen. Da zieht Frank ihm die Krücke weg. "Du willst Dich mit mir anlegen?" Morton liegt am Boden. Frank glaubt, Morton zerquetschen zu können, wie einen faulen Apfel, aber Morton ist sich sicher, dass Frank ihn noch braucht. Frank, der inzwischen beschlossen hat, die Farm an sich zu bringen, warnt Morton zwar; aber Frank braucht ihn tatsächlich, um das Geschäft mit der Farm mit ihm machen zu können. Denn sich selbst in Sweetwater niederzulassen, kommt für ihn nicht in Frage. Aber Frank hat die Farm noch nicht. Deswegen lässt er Morton einstweilen in seinen Salonwagen zurückbringen und von seinen Leuten bewachen. Der Salonwagen ist nun praktisch ein Gefängnis für Morton.

Aber Morton gelingt es, seine Wächter zu bestechen. Für 500 Dollar sind sie bereit, die Seite zu wechseln und sich gegen Frank zu stellen. Sie nehmen den Auftrag an, Frank umzubringen, ein Versuch, der von Mundharmonika vereitelt wird. Im Gefecht der Leute Cheyennes mit denen von Frank gelingt es Morton, Cheyenne tödlich anzuschießen. Aber auch er selbst wird tödlich verletzt und liegt an einer Pfütze, als Frank ihn findet. "Pazifik, hmm!?" vergleicht Frank die Pfütze genüsslich mit dem großen Ziel Mortons. Auch Morton hört das Rauschen des Pazifik, den er nun nicht mehr erreichen wird. Er stirbt bei dem Versuch, mit "seiner Eisenbahn" den Pazifik zu erreichen. Die Eisenbahn wird weitergebaut. Sie wird den Pazifik erreichen. Aber es ist dann nicht mehr "seine Eisenbahn", wenn sie das jemals war. Denn in Wirklichkeit war das Verhältnis wohl eher umgekehrt: Morton gehörte der Eisenbahn. Dass Morton die Eisenbahn nicht verlassen kann, ein Umstand der sowohl von Cheyenne wie von Frank festgestellt wird, ist vielleicht ein Bild dafür, dass nicht ihm die Eisenbahn gehörte, sondern umgekehrt er der Eisenbahn. Seine kapitalistische Energie, mit der er den Pazifik erreichen wollte, war wohl mehr die Energie der Eisenbahn, ihre Strecke zu vollenden, der Morton sein Leben geweiht hat. Denn diese Energie der Eisenbahn besteht fort. Die Eisenbahn wird den Pazifik erreichen, mit oder ohne Morton. Der ist dazu nicht notwendig. Sein Tod ändert nichts daran. Denn er hat ohnehin nichts wirklich dafür tun können. Dass die Eisenbahn "seine Eisenbahn" ist, ist eine ähnliche Illusion wie die, dass der Plan Mc Bains an Mc Bain als Individuum hängt. Morton stirbt bei dem Versuch, mit "seiner Eisenbahn" den Pazifik zu erreichen, zu dem er nichts beitragen kann und nichts beiträgt, weil er nichts tun kann, als sich mit dem zu identifizieren, was ohne sein wirkliches Zutun geschieht. Er ist und bleibt Kapitalist der Eisenbahn, und stirbt auch als solcher.

c) Frank

Frank ist der Mann mit dem schwarzen Hut, ein Fremder im Dienste einer fremden Macht, der alle erschießt, die sich dem Bau der Eisenbahn in den Weg stellen. Allein im Film fallen ihm mehrere Menschen zum Opfer; mehr noch erwähnt Mundharmonika. Frank ist eitel, zynisch und hat eine sadistische Freude daran Menschen zu quälen, umzubringen und sterben zu sehen. Zwar tut er gern, was er tut, aber nicht in eigener Sache. Er ist im Dienste Mortons tätig. Er setzt mit dieser Gewalt nicht seine Zwecke durch, sondern die Mortons. Frank fühlt sich überlegen, weil er mit der Waffe gut ist, weil er, wie er sich ausdrückt, "ein Mann" ist. Aber eben wegen seiner Eitelkeit ist er nicht zufrieden damit, nur ein Mittel in der Hand Mortons zu sein. Er möchte Mortons Schwäche nutzen, um sich selbständig zu machen.

Frank erscheint nicht am Bahnhof. Er geht Mundharmonika aus dem Weg. Wenn jemand etwas von ihm will, kann das nichts Gutes bedeuten. Er schickt drei seiner Leute in der Verkleidung von Cheyennes Männern, die Mundharmonika erledigen sollen. Aber das misslingt. Frank selbst hat mit Mc Bain zu tun. Auch diesen Mord begeht er verkleidet. Er möchte in der Deckung bleiben. Als Frank Timmy erschießt, wird der Zuschauer in die Irre geführt. Er erhält den Eindruck, dies geschehe, weil Franks Namen verraten worden ist. Die weitere Geschichte zeigt aber, dass Timmy auf jeden Fall sterben musste, damit kein Erbe von Sweetwater den Plan von Mc Bain weiterverfolgen kann. Aber dieser Irrtum deutet voraus auf das Verhältnis Franks zu Mundharmonika. Mundharmonika hatte die sadistische Ermordung seines Bruders überlebt, und will Rache. In drei Rückblenden wird dieser Mord erinnert, wie Mundharmonika ihn mit dem Erscheinen Franks assoziiert. Von dieser Szene nimmt die Melodie, das "Lied vom Tod" seinen Ausgangspunkt, das als die Melodie Franks sich zugleich gegen ihn wendet, indem sie zugleich die Melodie wird, die Mundharmonika spielt, wenn auch nur, solange Frank lebt. Mit Franks Tod verklingt diese Melodie endgültig.

Frank hat das Problem Mc Bain auf seine Weise nicht lösen können, und muss sich dafür vor Morton rechtfertigen. Das Auftauchen Jills macht den Mord an Mc Bain sinnlos. Es kommt zu einer allgemeinen Auseinandersetzung, in der Morton seine Überlegenheit demonstriert, weil er mit Geld umgehen kann. Dies ist nötig, weil Frank mehr und mehr macht, was er will, und sich nicht mehr an die Anweisungen Mortons hält. Es kommt im Laufe der Auseinander-setzung zu einem Missverständnis, das wie ein Duell "Geld gegen Revolver" aussieht. Auch dies ist eine Vordeutung auf eine duellartige Situation, die sich später wirklich abspielen wird. Morton ist sich sicher, dass Geld die stärkere Waffe ist. Frank räumt das ein, ignoriert diese Erkenntnis aber, weil er selbst so nicht handeln kann. Er will deswegen auch Jill erschießen lassen. Zugleich möchte er selbst Geschäftsmann werden. Dazu kommen ihm hinter dem Schreibtisch Mortons gute Ideen.

Der Versuch Jill ermorden zu lassen scheitert an Mundharmonika. Überdies werden Morton und Frank im Salonwagen von Wobbes aufgesucht, der die Nachricht Jills überbringt. Frank wittert sofort die Falle, und stellt Wobbes zur Rede. Der verteidigt sich wortreich, während Frank den Schatten Mundharmonikas sieht. Frank übernimmt die Kontrolle des Salonwagens. Er lässt ihn in die Wüste fahren, wo er Mundharmonika schnappt. Dass auch Cheyenne im Zug mitfährt, bemerkt Frank nicht. Den Verräter Wobbes bringt Frank um. Als Mundharmonika ihn verunsichern will, fragt Frank Mundharmonika: "Wer bist Du?" Mundharmonika antwortet mit Namen der Opfer Franks. Frank ist irritiert und erschreckt, auf diese Weise mit den Gespenstern seiner Opfer konfrontiert zu werden. Er verliert die Selbstbeherrschung und schlägt auf Mundharmonika ein. Morton jedoch ruft ihm seine Aufgabe in Erinnerung. Frank lässt sich ablenken, obwohl er den Mann in seiner Gewalt hat, der ihn später im Duell besiegen wird. Er lässt sich ablenken von der Personifikation seines Todes, wie später auch Cheyenne. Frank beauftragt drei seiner Leute Mundharmonika und Morton zu bewachen, und reitet nach Sweetwater. Dort wartet er, den Modellbahnhof in der Hand auf Jill. Er ahnt, dass Jill den Plan Mc Bains durchschaut hat. Er nimmt Jill als Gefangene mit zu sich nach Hause.

Vor Franks Haus erscheint Morton. Er fordert, dass Frank Jill in Ruhe lässt. Aber Frank nimmt von Morton keine Anweisungen mehr entgegen. Er verfolgt nun seine eigenen Pläne. Frank schlägt Morton die Krücke und demütigt ihn. Er glaubt Morton in seiner Hand. Morton weiß jedoch, dass Frank ihn noch braucht. Frank droht zwar: "Da würde ich an Deiner Stelle nicht so sicher sein!" Aber in Wirklichkeit gibt er Morton recht, indem er andeutet, dass er selbst Sweetwater an Morton verkaufen will. Dies ist nun sein neuer Plan. Frank liegt mit Jill im Bett, die ihn zu bezirzen versucht, um ihr Leben zu retten. Er hat herausgebracht, dass sie in New Orleans eine Hure war. Er erwägt kurz, sie zu heiraten, verwirft diese Möglichkeit aber. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass Frank Jill vergewaltigt, was Jill über sich ergehen lässt, um ihr Leben zu retten. Frank beschließt, dass Jill Sweetwater in einer Versteigerung zu verkaufen hat. Franks Leute werden die Versteigerung kontrollieren und so nach Franks Plan die Farm billig kaufen, um sie sehr viel teurer an Morton weiterzuver-kaufen. Frank muss den Preis von Sweetwater mit Gewalt drücken, um bei dem Geschäft einen Gewinn zu machen. Denn er kauft dasselbe, was er verkaufen will. Es ist daher nicht abzusehen, woher er bei diesem Geschäft zu mehr Geld kommen soll. Er braucht deswegen das Drücken des Preises mit Gewalt. Der Kapitalist beutet seine Beschäftigten aus. Er macht seine Gewinne nicht in erster Linie mit Gewalt, sondern durch Ausbeutung der Lohnarbeit, die ohne Gewalt allerdings nicht funktioniert. Aber diesen Unterschied kann Frank weder erkennen noch handhaben.

Nun geschieht wirklich das Fernduell Gewalt gegen Geld. Die Versteigerung findet statt. Einer von Franks Leuten sichert durch eine permanente Todesdrohung, dass Jill bei ihrer Verkaufsabsicht bleibt. Frank verteilt seine Leute unter den Bietern und lässt alle einschüch-tern, die ein Angebot abgeben. Es kommt nur zu einem Anfangsangebot von 200 Dollar. - Im Salonwagen tritt Morton vor das Bild vom Pazifik. Wie kann er ihn noch erreichen? Jedenfalls nicht als Gefangener von Frank. Er bietet jedem von Franks Wächtern 500 Dollar an, wenn sie die Seite wechseln und Frank umzubringen versuchen. "Wollt ihr es machen? Es ist doch ein gutes Angebot. Es sind 500 Dollar!" " - 500 Dollar!" bietet nun einer der Männer Franks für Sweetwater, ein Angebot, das das letzte zu bleiben scheint. Eben will ihm der Sheriff den Zuschlag erteilen, da bietet Mundharmonika 5000 Dollar. Er liefert Cheyenne dem Sheriff aus und bezahlt mit dem Kopfgeld. So durchkreuzt er den Plan Franks. - Einer der von Morton erfolgreich bestochenen Leute reitet vom Salonwagen Richtung Flagstone los.

Während Frank es auch mit Gewalt nicht vermocht hat, Sweetwater für 500 Dollar an sich zu bringen, ist Morton sich mit Franks Leuten einig geworden: Für 500 Dollar bringen sie ihn um. Was für Sweetwater bei weitem nicht reicht, reicht für Frank allemal. Denn der Wert von Frank ist gering, wenn er sich von Morton trennt. Das Duell Gewalt gegen Geld ist klar zugunsten des Geldes ausgegangen, weil Geld Gewalt kauft, aber Gewalt Geld nicht zu ersetzen vermag. Gewalt ist eben in der neuen Welt nur ein Mittel zum Zweck, während Geld nicht nur ein Mittel, sondern zugleich auch der Zweck selbst ist. Deswegen gewinnt Geld gegen Gewalt in der Neuen Welt. Aber zugleich zeigt sich auch der Wert, der Frank, losgelöst von Morton, im Vergleich zu Cheyenne zukommt. Denn Cheyenne ist sein eigener Herr, der im eigenen Interesse Gewalt übt. Sein Kopf ist das zehnfache dessen wert, was Franks Kopf kostet, paradoxer Weise unter anderem wegen der Taten, die Frank als Cheyennes Taten ausgegeben hat, wie etwa der Ermordung Mc Bains.

Frank will Sweetwater unbedingt. Er geht in den Saloon, in dem die Versteigerung stattgefunden hat und trifft dort auf Mundharmonika. Eine zweite Rückblende zeigt die Assoziation Mundharmonikas zum Mord an seinem Bruder. Frank fragt erneut: "Wer bist Du?" Wieder antwortet Mundharmonika mit Namen von Menschen, die Frank auf dem Gewissen hat. Frank kann sich nur mit Mühe zusammenreißen. Er macht Mundharmonika einen Vorschlag. Er bietet 5001 Dollar für Sweetwater, und droht ihm, dass er nicht heil aus der Sache herauskomme, wenn er dieses Angebot nicht annehme. Mundharmonika reagiert gelassen: "Du musst bei Morton mal verhandeln lernen." Er warnt Frank vor seinen - inzwischen von Morton gedungenen - Leuten, die er vor dem Saloon sich aufstellen sieht. Das Angebot lehnt er ab.

Frank kann nicht verhandeln, weil er den Willen anderer Menschen in seiner Eitelkeit nicht respektieren und in dessen Berechtigung nicht zur Geltung kommen lassen kann. Er ist deswegen nicht eigentlich vertragsfähig. Den Willen anderer kann er nur brechen, oder die Menschen selbst beseitigen. Gewalt aber behindert den Willen anderer nur, begrenzt oder beseitigt ihn. Die Fähigkeit, ihren Willen zu lenken und für sich zu nutzen, mit anderen Worten, die Fähigkeit mit Geld umzugehen, fehlt Frank. Denn Geld beseitigt den Willen anderer Menschen nicht und bricht ihn nicht, sondern nutzt den Willen des anderen, indem es ihn zu lenken erlaubt. Damit macht es die anderen Menschen mitsamt ihrer Energie und ihrem Willen der eigenen Macht gefügig.

Frank nimmt Mundharmonikas Warnung ernst. Angespannt und aufmerksam verlässt er den Saloon. Er weiß, dass er bedroht ist, und ist gewillt zu kämpfen. Er hätte aber keine Chance, wenn Mundharmonika ihm nicht helfen würde. Einen der Leute erschießt Mundharmonika direkt, auf einen zweiten weist er Frank hin. Mundharmonika möchte nicht, dass Frank abgeknallt wird. Er möchte ihn im Duell erschießen, wenn Frank am Ende ist. So überlebt Frank mit äußerer Hilfe diesen Anschlag. Er reitet zum Salonwagen, wohl um mit Morton abzurechnen. Dort findet er die Leichen von seinen und Cheyennes Leuten. Er sieht Morton an einer Pfütze im Sterben liegend. "Pazifik, hmm?!" Genüsslich konstatiert er, dass Morton ohne Überlebenschance ist und verzichtet darauf ihn zu erschießen. Er sieht ihm beim Sterben zu.

Frank ist nicht in der Lage sich selbständig zu machen, aber er hat auch keinen Arbeitgeber mehr. Seine Pläne sind durchkreuzt, seine Leute alle tot. Er hat keine Chance mehr, an Sweetwater heranzukommen. Er hat eingesehen, dass er nie so werden wird wie Morton, dass er kein Geschäftsmann ist. "Aber ein Mann!" sagt Frank trotzig. Denn Frank hat keine Angst vor dem Tod, die er nicht überwinden könnte. Frank reitet nach Sweetwater, um dort auf Mundharmonika zu treffen. Mundharmonika besitzt nun Sweetwater, also wird er auch da sein. Frank will nun endlich wissen, wer Mundharmonika ist. Er weiß, dass er dies nur in einem Duell erfahren kann. Frank fällt. Mundharmonika reißt sich seine Mundharmonika vom Halsband, drückt sie Frank in den Mund und sagt: "Spiel mir das Lied vom Tod.!" Nun weiß Frank, um wen es sich handelt, wie sich in der Rückblende zeigt, und stirbt. Mit seinem Tod verklingt auch das Lied vom Tod, seine Melodie, die zugleich von Mundharmonika gespielt wird, letztlich ihm vorgespielt wird.

Frank ist ein gedungener Mörder, der Gewalt nicht zur Selbstbehauptung gebraucht, sondern als ein Mittel zur Durchsetzung von Zwecken eines Anderen, nämlich Mortons. Er hat alle umgebracht, die sich der Eisenbahn in den Weg stellten. Dabei versuchte er möglichst seine Spuren zu verwischen und seine Taten anderen in die Schuhe zu schieben. Er wollte sich davon befreien, selbst nur ein Mittel der Durchsetzung der Eisenbahn im Dienste Mortons zu sein. Aber er muss wiederholt erfahren, dass er dazu nicht in der Lage ist. Seine eigene Eitelkeit hindert ihn. Er ist zu Verhandlungen nicht fähig, weil er den Willen anderer nicht respektieren kann. Er kann mit Geld nicht umgehen. Er ist ein Mann der Gewalt, der Mann mit dem schwarzen Hut. Ihn ereilt sein Schicksal an der Stelle, an der ihm sein letzter Mord im Dienste der Eisenbahn gelungen ist, der an Mc Bain. Er kommt zu Tode durch einen Rächer, der ihn nicht kaltblütig umlegt, sondern der ihn ehrenhaft im Duell erschießt, der ihn behandelt, wie er seine Opfer nicht behandelt hat und nicht behandeln konnte, weil er im Auftrag einer fremden Macht gemordet hat. Das Risiko eines Scheiterns oder von Zeitverlust war bei offenem Vorgehen zu groß für Morton. Frank gehörte eben der neuen Welt an, in der Gewalt nicht ein Mittel der Selbstbehauptung ist, sondern eine käufliche Ware, die noch dazu verhältnismäßig billig ist, nämlich 500 Dollar kostet.

Franks Leben war davon bestimmt, dass er der neuen Welt mit Gewalt zum Durchbruch verhalf. In der neuen Welt selbst hat er keinen Platz mehr. Das sieht er insofern ein, als er erkennt, dass er kein Geschäftsmann ist. Die Form der Gewalt, die zur Durchsetzung der neuen Welt notwendig war, geht damit, dass die neue Welt erreicht ist, selbst unter. Frank stirbt, indem er versucht, denjenigen umzubringen, der ihn tötet; er stirbt beim Töten. Er wird getötet, weil er getötet hat, und er wird getötet, indem er zu töten versucht. Er stirbt wie er gelebt hat, und wie seine Opfer bleibt er im Staub liegen.

d) Jill

Die einzige weibliche Hauptperson ist Jill Mc Bain. Sie ist eine außergewöhnlich schöne Frau. Vor allem in der Wüste ist ihre Erscheinung geradezu eine Offenbarung. Jill kommt aus der neuen Welt, aus der Stadt New Orleans. Mit ihr erscheint die zukünftige Welt, die städtische Kultur, die Zukunft, die mit der im Film dargestellten Entwicklung verbunden ist, das zukünftige Leben von Sweetwater. Jill ist mutig und entschlossen. Sie weiß, ihre Lage realistisch einzuschätzen. Sie weiß, wie sie mit Männern umzugehen hat; und sie weiß sich Anerkennung zu verschaffen. Letztlich ist sie es, die sich durchsetzt, und die das Leben der neuen Welt miterleben und mitgestalten wird. Sie ist es, zu deren Gunsten sich der Plan Mc Bains auswirken wird. Das liegt an ihrem unbedingten Lebenswillen. Jill hängt am Leben. Sie würde, wie sie Frank gegenüber bestätigt, alles tun, um ihr Leben zu retten. Sie hängt sich weder unbedingt an den Plan Mc Bains, noch an andere beschränkte Zwecke, die sie etwa mit der Eisenbahn verbinden würde. Sie verachtet das Geld nicht, wirft es auch nicht weg, aber sie braucht es nicht unbedingt. Zu Cheyenne sagt sie, als sie nach New Orleans zurückgehen will: "Da, wo ich hingehe, brauche ich nichts." Beschränkte Zwecke, und dazu gehört für Jill auch das Geld, haben für sie auch nur beschränkte Bedeutung. Unbedingt hängt Jill an ihrem Leben.

Dieser unbedingte Lebenswille macht sie geeignet zu einer Art Projektionsfläche für Phantasien der Männer um sie herum. Mc Bain, Frank und Cheyenne machen Pläne, in denen Jill eine bestimmte Rolle zu spielen hat. Keiner dieser Pläne geht für die Männer auf. Aber dennoch bleibt Jill eine Person, die aufgrund ihres unbedingten Überlebenswillen dazu einlädt, solche Pläne zu machen, in denen über Jill verfügt wird. Deswegen ist die Rolle Jills ohne die Pläne dieser Männer nicht darzustellen. So bricht sich ihre Darstellung immer wieder durch ihr Verhältnis zu den Männern, für die sie nach deren Willen eine bestimmte Rolle spielen soll.

Jill hat ihre eigene Melodie, mit der sie in den Film eingeführt wird, die gespielt wird, als sie mit Sam nach Sweetwater fährt, als sie Frank zu bezirzen versucht, und als sie Mundharmo-nika mit ihren erotischen Reizen zu gewinnen versucht. Aber sie erklingt auch, als die Eisenbahn in Sweetwater eintrifft. Mit ihr klingt der Film aus. Im Unterschied zum harten "Lied vom Tod", der Melodie, die Frank und Mundharmonika begleitet, ist es eine weiche, schöne und erhebende Melodie, die aber zugleich mit Trauer verbunden ist. Diese Melodie kann man als das "Lied vom Leben" vom "Lied vom Tod" unterschieden. Dieses "Lied vom Leben" ist die Melodie Jills.

Jill ist in New Orleans eine Hure gewesen. Sie dachte das Leben zu kennen, als sie Mc Bain traf, einen Mann, wie sie ihn sich immer erträumt hatte, mit ehrlichen Augen und starken Händen, ein Mann, der ihr Sicherheit gibt, und dem sie Vertrauen schenken kann. Sie weiß: Mc Bain ist gut. Er würde niemandem ein Haar krümmen. McBain hat ihr offenbar auch von seiner Hoffnung auf Reichtum erzählt. Er hat sie schon in New Orleans geheiratet. Jetzt lässt er sie nach Sweetwater nachkommen, als festzustehen scheint, dass alles so klappt, wie er sich das vorgestellt hat. Für Jill scheint ein Traum in Erfüllung zu gehen: Ein Leben für Mann und Kinder als ehrbare Farmerin. Jill kennt die Quelle der Hoffnungen Mc Bains nicht. Sie geht davon aus, dass Mc Bain ein Farmer ist.

Als sie in Flagstone eintrifft, ist weder Mc Bain am Bahnhof, noch ein Vertreter von ihm. Jill lässt sich von Sam nach Sweetwater kutschieren. In der Spelunke trifft sie Cheyenne und Mundharmonika zum ersten Mal. Man gewinnt den Eindruck, dass der Westen eine fremde Welt für sie ist. Aber sie lässt sich nicht so leicht einschüchtern. In Sweetwater angekommen findet sie die Leichen von Mc Bain und seinen Kindern. Sie ist erschüttert, aber sie will auch nicht einfach weichen. Sie eröffnet allen Beteiligten, dass sie und Mc Bain bereits verheiratet waren. Nach der Beerdigung lehnt sie es ab, sich von Sam nach Flagstone zurück fahren zu lassen. Sie hat den - für Sam unfassbaren - Mut, in Sweetwater zu bleiben. Denn schließlich ist es ihr Haus. Sie will das suchen, worauf Mc Bain seine Hoffnungen gestützt hat. Aber sie findet im ganzen Haus nichts, womit sie etwas anfangen könnte. Enttäuscht liegt sie auf dem Ehebett und denkt nach. Auch als sie die Modelleisenbahn und die Modelle einer Stadt findet, ahnt sie nicht, dass sie die Lösung ihres Problems in der Hand hält. Der Modellbahnhof verweist auf die Eisenbahn und "Sweetwater" verweist auf Wasser. Aber Jill erwartet etwas anderes. Sie kennt den Plan Mc Bains nicht.

Am nächsten Morgen beschließt sie, Sweetwater wieder zu verlassen. Doch als sie gehen will, steht Cheyenne vor der Tür, tritt ein und verlangt Kaffee. Cheyenne muss jedoch feststellen, dass Jill Küchen von Farmern nicht gewohnt ist. Er übernimmt das Feuermachen. Jill überlegt, ob sie sich seiner mit Gewalt entledigen soll, lässt diesen Plan aber nach Drohungen von Cheyenne fallen. Sie weiß aus der Spelunke, dass mit Cheyenne nicht zu spaßen ist. Jemand will ihm den Mord in die Schuhe schieben. Deshalb möchte er den wahren Mörder finden. Dazu muss er wissen, warum Mc Bain umgebracht wurde. Vielleicht wegen Gold? Aber Jill hat keins gefunden. Als Cheyenne behauptet, dass es Mundharmonika gewesen sein könnte, und überdies sie selbst ebenfalls in Gefahr sei, provoziert Jill: " Wenn das einer beurteilen kann, dann Sie! Sie sind ja Experte!" - Cheyenne ist sauer: "Ich glaube, Du hast nicht begriffen, in welcher Lage Du bist." - Aber Jill kontert: "Doch, das habe ich sehr gut begriffen. Ich weiß dass ich Ihnen ausgeliefert bin." Gleich werde Cheyenne seine Leute hereinrufen und sie von ihnen vergewaltigen lassen. Ihr mache das nichts aus. "Denn wenn alles vorbei ist, dann nehme ich mir einen großen Eimer warmes Wasser, und alles ist, wie es vorher war. Dreckige Erfahrungen im Leben können nicht schaden." - Cheyenne ist beeindruckt: "Du kochst bestimmt ´n guten Kaffee!" Cheyenne anerkennt Jill. Mit der Bemerkung Jills, dass sie mit Wasser den Dreck der Vergewaltigung abspülen werde, deutet der Film vor auf das Bad, das Jill nimmt, nachdem sie Franks Händen entkommen ist. Da sich Jill die Anerkennung Cheyennes verschaffen kann, wendet sich das Gesprächsklima. Jill erzählt Cheyenne, mit welchen Hoffnungen sie nach Sweetwater kam, um dort Mc Bain tot zu finden. Warum er erschossen wurde, weiß sie nicht. Cheyenne verabschiedet sich. In der altertümlichen Weise, die ihm eigen ist, vergleicht er Jill mit seiner Mutter, um ihr seine Wertschätzung auszudrücken, einer Hure, die seinen Vater glücklich gemacht habe.

Wiederum versucht Jill abzureisen. Diesmal tritt ihr Mundharmonika in den Weg. Er hat offenbar alles mitgehört. Er bestätigt die Aussage Cheyennes, dass wer Mc Bain und seine Kinder umbringt, auch vor einem Mord an Jill nicht zurückschreckt. Mundharmonika deutet selbst die Gewalt an, die Jill zu befürchten hat, indem er sie vergewaltigen zu wollen scheint. Aber in Wahrheit reißt er ihr nur die Spitze vom Kleid ab. Jill soll als Farmersfrau in Sweetwater bleiben. Da braucht sie keine Spitze. Die Flucht in die Stadt kommt nicht in Frage. Mundharmonika verlangt Wasser, frisches Wasser vom Brunnen. Jill geht zum Brunnen, Mundharmonika folgt ihr. Tatsächlich reiten zwei von Franks Leuten auf Jill zu, um sie zu erschießen. Aber Mundharmonika kommt ihnen zuvor: Beide sterben. Jill wundert sich. Ihr ist nicht klar, warum sie umgebracht werden soll. Sie hat sich offenbar in Mundharmonika getäuscht. Zwar hat er sie als Lockvogel benutzt. Aber wäre sie tatsächlich von Sweetwater abgefahren, so wäre sie eine tote Frau gewesen. Sie beginnt Mundharmonika zu vertrauen.

Mundharmonika erzählt ihr, dass Frank der Mörder ihres Mannes ist und dass Wobbes mit ihm in Verbindung steht. Jill zeigt erneut ihren Mut, indem sie zu Wobbes geht und Frank zu sprechen verlangt. Tatsächlich geht Wobbes zum Salonwagen. Mundharmonika folgt ihm und wird geschnappt. Während Mundharmonika als Gefangener im Salonwagen von Cheyenne befreit wird, besichtigt Jill mit Sam das von Mc Bain bestellte Baumaterial. Dabei erfasst sie, was Mc Bain vorhatte. Entschlossen ergreift sie ihre Chance, zumal Mc Bain schon alles bezahlt hatte. Sie fährt nach Sweetwater, wo Frank auf sie wartet, den Modellbahnhof in der Hand.

Frank nimmt Jill mit in sein Haus. Jill weiß um ihre Lage. Sie hat Angst und versucht, mit ihren erotischen Reizen der Todesgefahr, in der sie schwebt, zu entkommen. Frank weiß, dass sie eine Hure ist. Er gibt sich der Phantasie hin, dass Jill sich gerne mit ihm im Bett befindet. "Und Du magst es, wenn Dich Männerhände anfassen! ... Es macht Dir nicht einmal etwas aus, dass es dieselben Hände sind, die Deinen Mann ...". Jill stopft Frank mit einem Kuss das Maul. Er charakterisiert Jill mit den Worten: "Du würdest alles tun, um Dein dreckiges Leben zu retten, nicht wahr." "Ja, das würde ich", antwortet Jill, nicht nur, um sich anzubieten, damit sie überlebt, sondern auch, weil es zutrifft. Frank zwingt Jill dazu, Sweetwater versteigern zu lassen. Neben ihr steht einer von Franks Leuten und passt auf, dass sie es sich nicht anders überlegt. Doch Franks Plan scheitert an Mundharmonika und Cheyenne, die ihrerseits die Farm an sich bringen. Aber Mundharmonika hat kein Interesse am Geschäft mit Sweetwater. Jill gibt sich selbstbewusst. Sollte Mundharmonika sie beschützen wollen, müsse sie ihn enttäuschen. Sie benötige keinen Beschützer. Doch Mundharmonika verweist auf Cheyenne, der in diesem Punkte anderer Meinung gewesen sei. Als Frank erscheint, zieht Jill sich zu einem Bad zurück. Sie will den Dreck der Vergewaltigung durch Frank von sich abwaschen.

Auch in ihrem Bad taucht Mundharmonika auf. Er verhindert, dass Frank abgeknallt wird, ein Umstand der Unverständnis bei Jill auslöst. "Und Sie, Sie haben dem Dreckskerl auch noch geholfen." Aber Mundharmonika antwortet: "Ich habe nur verhindert, dass man ihn umlegt. Das ist etwas anderes." Jill ist eine solche - auf dem Gedanken der Ehre beruhende - Handlungsweise nicht gewöhnt, aber sie erkennt die Andersartigkeit eines solchen Handelns. "Ja, das sehe ich ein. Das ist etwas anderes." Jill gefällt die Art von Mundharmonika, der sie als gleichwertigen Menschen behandelt, einen ähnlichen Humor wie sie hat, und altertümliche Beschützergesten vermeidet. Er weiß, was er will. Das findet Jill attraktiv. Sie lässt ihre Reize spielen, aber ohne Erfolg.

In Sweetwater ist Jill physisch mit der Hausarbeit beschäftigt, gedanklich aber bei Mundharmonika, als Cheyenne kommt. Er fragt nach seinem Kaffee. Jill ist inzwischen darauf vorbereitet und braucht keine Hilfe mehr. Cheyenne lobt ihren Kaffee und vergleicht sie erneut mit seiner Mutter. Diesmal ist es eindeutig eine altertümliche Liebeserklärung. Aber Jill ist ganz mit Mundharmonika beschäftigt, dem einzigen Mann, der sich ihren Reizen als Frau entzieht. Cheyenne bittet Jill, den Bauarbeitern Wasser zu bringen, nicht nur des Wassers, sondern auch ihretwegen: Sie könne sich nicht vorstellen, was es für diese Leute bedeute, eine Frau wie sie zu sehen. Cheyenne spürt, dass Jill mit Mundharmonika beschäftigt ist. Er bereitet sie darauf vor, dass Mundharmonika gehen wird, ohne sich umzudrehen. Er selbst bietet sich an, zu bleiben. Aber Jill will nicht Cheyenne, sie will Mundharmonika. Als Mundharmonika nach dem Duell hereinkommt, seine Sachen nimmt und sich verabschiedet, sagt er zum Schluss: "Sweetwater wird eine schöne Stadt." Jill, die immer noch versucht, ihn zu gewinnen, antwortet: "Sweetwater wartet auf Dich." Eigentlich meint sie mehr: Ich warte auf Dich. Aber Mundharmonika antwortet: "Irgendeiner wartet immer." Er geht. Cheyenne tröstet Jill: "Du wirst es überleben." Er folgt Mundharmonika, um zu sterben.

Jill nimmt zwei Kübel Wasser und trägt sie hinaus. Alle Bauarbeiter der Eisenbahn versammeln sich um sie. Jill ist der Mittelpunkt des in Sweetwater entstehenden neuen Lebens, das mit dem Bahnhof anfängt. Ihre Melodie erklingt, die Eisenbahn fährt in Sweetwater ein. Mehr Bauarbeiter springen vom Zug ab. Die Zukunft, die neue Welt ist da. Von den Hauptpersonen des Films wird nur Jill diese Zukunft miterleben und mitgestalten. Nur sie wird in dieser Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Ihr Wille, unter allen Umständen zu überleben, sich nicht an beschränkte Zwecke zu heften, und deren Durchsetzung so zu betreiben, dass sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt, lässt sie die Früchte des Plans von Mc Bain genießen. Cheyenne und Frank, die den Plan Mc Bains zu ihren Gunsten verwirklichen wollten, verfolgten beschränkte Zwecke, setzten dafür ihr Leben aufs Spiel und gingen daran zugrunde. Jill ist eine Hure, die alles tun würde, um ihr Leben zu erhalten. Damit ist sie ein Bild für Lohnarbeiter, für die Proletarier, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um sich am Leben zu erhalten. Sie können ihr Leben nicht an beschränkte Zwecke hängen, sondern müssen, um ihr Leben zu erhalten, tun, was ihnen gesagt wird. Denn sie haben sich verkauft und verkaufen müssen, um zu überleben. Die Lohnarbeiter, die Proletarier, beherrschen am Schluss des Films das Bild, und in ihrer Mitte ist Jill, um die sich die Arbeiter versammeln.

6. Die Rache der alten Welt für die Gewalt der neuen: Mundharmonika

Wie Jill überlebt auch Mundharmonika die Handlung des Films. Wie Frank ist auch er ein Fremder, aber im Unterschied zu Frank nicht im Dienste einer fremden Macht. Mundharmonika ist der Mann mit dem weißen Hut, der Rächer derer, die Frank auf dem Gewissen hat. Von Anfang an verfolgt er Frank. "Wo ist Frank?" Als erstes stellt er diese Frage, und die Suche und die Abrechnung mit Frank bestimmt sein ganzes Verhalten. Er hat an Sweetwater ebenso wenig Interesse wie an Jill als Frau. Er will kein Geld, er will Rache. Mundharmonika ist daher auch nicht beschränkt in seiner Einsicht in die Ereignisse. Mundharmonika kennt sich aus in der neuen Welt. Er weiß, dass alles mit der Eisenbahn zusammenhängt. Denn auch sein Bruder war ein Opfer Franks in Diensten von Morton. Mundharmonika scheint auch zu wissen oder zumindest doch zu ahnen, dass es um das Wasser geht. Mundharmonika weiß Bescheid, ist Cheyenne überlegen, und er weiß es ihm zu zeigen. Mundharmonika ist deswegen in allen Lagen souverän und gibt immer die passende Antwort. Das fällt ihm umso leichter, als er eigene beschränkte Interessen im Zusammenhang mit der Eisenbahn nicht verfolgt. Mundharmonika hat von Frank die Mundharmonika erhalten mit den Worten: "Spiel mir das Lied vom Tod." Seitdem spielt Mundharmonika Franks Melodie, das Lied vom Tod. Er spielt es für Frank, um dessen Tod es sich für Mundharmonika handelt. Mundharmonika spielt Franks Lied ihm selbst vor.

Frank will Mundharmonika aus dem Weg gehen, und schickt drei seiner Leute, damit sie Mundharmonika "erledigen". Aber Mundharmonika kann ausgezeichnet schießen und tötet alle drei. Dabei wird er verwundet und zieht sich in jene Spelunke zurück, die auch Jill und Cheyenne aufsuchen. Er sieht der Selbstbefreiung Cheyennes zu. Als Cheyennes Leute kommen, fragt Mundharmonika, ob sie es waren, die ihn am Bahnhof erschießen wollten. Cheyenne verneint dies mittels einer versuchten Beweisführung, die aber scheitert. Mundharmonika warnt Cheyenne davor, seine Prämissen für wahr zu halten. Jemand muss in Verkleidung von Cheyenne Dinge tun, die Cheyenne nie tun würde.

Mundharmonika stellt Wobbes zur Rede, weil Frank nicht am Bahnhof war. Wobbes leugnet, davon zu wissen. Wie schon bei der Beerdigung Mc Bains versucht Wobbes, Cheyenne den Mord an Mc Bain und seinen Kindern zur Last zu legen. Aber Mundharmonika ist sich sicher, dass es sich bei dem Mörder um Frank handelt. Wobbes will mit der Sache nichts zu tun haben. Mundharmonika glaubt ihm nicht. Aber er hakt nicht nach, sondern geht nach Sweetwater, wohl in der Hoffnung, dass Frank dorthin kommen werde. Er kündigt sich Jill mittels seiner Mundharmonika an und bewacht sie. Er belauscht ihr Gespräch mit Cheyenne. Als Jill Sweetwater verlassen will, tritt ihr Mundharmonika in den Weg. Er scheint sie vergewaltigen zu wollen. Er reißt ihr den Spitzenkragen und die - manschetten vom Kleid. Auf dem Lande braucht sie keine Spitze, und auf dem Lande, hier in Sweetwater, soll sie bleiben. Mundharmonika verlangt frisches Wasser vom Brunnen. Jill geht auf den Hof, Mundharmonika folgt ihr, und erschießt die von Frank bezahlten Mörder, bevor sie ihren Auftrag ausführen können. Durch Jills Besuch bei Wobbes kommt Mundharmonika an den Salonwagen Mortons heran, in dem sich Frank aufhält. Es gelingt Frank jedoch Mundharmonika zu schnappen. Dabei zeigt eine undeutliche Rückblende, dass Mundharmonika diese Begegnung mit einer früheren Geschichte assoziiert, die aber zunächst unklar bleibt. Frank fragt Mundharmonika, wer er ist. Mundharmonika antwortet mit den Namen der Opfer Franks. Der verliert daraufhin die Nerven. Aber Morton zwingt ihn, sich zusammenzureißen und mit Jill zu befassen. Frank überlässt Mundharmonika und Morton der Bewachung durch drei seiner Leute und reitet nach Sweetwater. Mundharmonika wird jedoch von Cheyenne befreit. Auch diese beiden begeben sich nach Sweetwater, wo Mundharmonika Cheyenne den Plan Mc Bains erklärt. Mundharmonika erweist sich als informiert über einen Vertrag zwischen Mc Bain und Morton. Und Mundharmonika zeigt sich gebildeter als Cheyenne. Cheyenne will mit Jill in den Vertrag einsteigen. Aber Jill ist in den Händen von Frank. Sie wird von ihm zur Versteigerung von Sweetwater gezwungen. Mundharmonika ersteigert die Farm gegen das Kopfgeld von Cheyenne. Jill gratuliert zu dem Geschäft. Aber Mundharmonika zeigt sich an Sweetwater nicht interessiert. Darauf vermutet Jill eine Beschützergeste, die sie aber ablehnt. Mundharmonika sagt, nicht er, sondern Cheyenne habe sie beschützen wollen.

Da kommt Frank in den Saloon und fragt Mundharmonika erneut, wer er ist. Wieder antwortet Mundharmonika mit den Namen von Opfern von Frank. Frank bietet Mundharmonika 5001 Dollar für Sweetwater und droht ihm. Eine zweite noch immer unklare Rückblende macht eine Assoziation Mundharmonikas deutlich, die an eine gemeinsame Vergangenheit von Mundharmonika und Frank erinnert. Mundharmonika sagt Frank, dass er bei Morton verhandeln lernen solle und warnt ihn vor den eigenen inzwischen von Morton bestochenen Leuten. Doch Frank will das Geschäft zuende bringen. Mundharmonika kündet ein Duell an. Frank will die Sache sofort erledigen. Doch Mundharmonika lehnt diese Initiative ebenso ab wie die 5001 Dollar. Frank hat jedoch dem Duell im Prinzip zugestimmt, als er den Saloon verlässt. Mundharmonika will nicht zulassen, dass Frank einfach abgeknallt wird. Er hilft ihm gegen die bestochenen ehemaligen Kumpanen. Für Mundharmonika ist seine Rache auch eine Sache der Ehre. Frank soll wissen, warum er stirbt und er soll die Chance haben, sich zu verteidigen, eine Chance, die er seinen Opfern nicht eingeräumt hat.

Mundharmonika reitet mit Jill nach Sweetwater und wartet auf Frank. Der kommt schließlich, nachdem er alles verloren hat, was sein bisheriges Leben bestimmte. Frank will nun endlich wissen, wer Mundharmonika ist. "Manche Leute sterben vor Neugier!" sagt Mundharmonika. Es kommt zum Duell, das als ein altertümliches Ritual dargestellt wird. Es ist zwar spannend, und es passt auch zu den Charakteren. Aber es passt nicht zur Eisenbahn, die wenige Schritte vom Duellplatz im Bau befindlich ist. In einer dritten Rückblende sieht man nun die Szene, um derentwillen Mundharmonika sich an Frank rächen will. Mundharmonika ist noch ein Junge. Sein Bruder steht auf seinen Schultern. Er hat einen Strick um den Hals. Wenn Mundharmonika umfällt, wird der Bruder hängen. Frank ist offenbar derjenige, auf den diese sadistische Inszenierung zurückgeht. Er tritt auf den Jungen zu und steckt ihm eine Mundharmonika in den Mund. Er sagt: "Spiel mir das Lied vom Tod!" Der Junge fällt in den Staub, der Bruder wird erhängt. Doch Mundharmonika spielt weiter für Frank das Lied vom Tod, das Lied vom Tod für Frank. Nun ist der Zeitpunkt der Rache gekommen. Die Schüsse fallen. Frank ist getroffen und fällt hin. Noch einmal fragt er: "Wer bist Du?" Mundharmonika reißt sich das Instrument vom Leder-Halsband, steckt es Frank in den Mund und antwortet: "Spiel mir das Lied vom Tod!" Frank erkennt in Mundharmonika den Jungen wieder und stirbt. Mit seinem Tod verklingt die Melodie. Das Lied vom Tod war die Melodie von Frank.

Frank ist gut mit der Waffe. Aber Duelle waren bisher nicht sein Stil. Er hat seinen Gegnern für gewöhnlich nicht die Chance gelassen, sich zu verteidigen. Das Risiko konnte und wollte er nicht eingehen. Denn er hat im Auftrag Mortons gemordet. Da durfte nichts schief gehen. Nun aber ist es seine Sache und seine Ehre, die auf dem Spiel steht. Deswegen kann es zum Duell kommen. Damit aber akzeptiert Frank eine Kampfform der alten untergehenden Welt. In der neuen Welt, in der Welt der Eisenbahn, ist für Duelle kein Platz. Diese Art des Todes wird mit der alten Welt verschwinden. In Sweetwater wird dies eines der letzten, wenn nicht sogar das letzte Duell gewesen sein. Am Schluss rächt Mundharmonika die Gewalt, die der alten Welt durch die neue angetan wurde. Er rächt nicht nur seinen Bruder, sondern alle Opfer, die Frank bei der Durchsetzung der Eisenbahn ermordet hat. Er rächt sie in der Kampfform der alten Welt, dem Duell. Er will ehrenvolle Rache, er will, dass sein Gegner eine Chance hat, sich verteidigen kann, und er will, dass Frank weiß, warum er sich verteidigen muss. Mundharmonika will Gerechtigkeit. Er setzt sein Leben dafür ein; er ist der Mann mit dem weißen Hut.

7. Der Tod in der alten und in der neuen Welt

Mundharmonika gehört selbst der alten Welt an. Er möchte nicht in Sweetwater bleiben. Er spürt die Reize von Jill und entzieht sich ihnen mit einer krassen Geste. Cheyenne sieht dies vorher. Er sagt zu Jill: "Eine Frau versteht das nicht. Männer wie er leben mit dem Tod." Cheyenne behält recht. Mundharmonika geht, und Cheyenne geht mit, um zu sterben. Mundharmonika kann nicht bleiben, weil er der alten Welt angehört. Auch als er den Leichnam Cheyennes auf das Pferd gehoben hat, reitet er aus dem Bild in die Gegend, in der die Eisenbahn noch nicht gebaut ist. Er geht, weil er ein Mann ist, der mit dem Tod lebt. Was das bedeutet, ist am Duell am besten zu verstehen. Mundharmonika scheut den Tod nicht. Er setzt sein Leben aufs Spiel, um sich selbst zu behaupten. Er behauptet sich auf eine individu-elle und unmittelbare Weise. Er lebt mit dem Tod, weil er auf diese Weise anderen Menschen nicht nachgeben muss. Es ist eine Art Unabhängigkeit, die er dadurch erhält, eine Art der Freiheit davon, sich von anderen Menschen Dinge antun zu lassen, die man nicht will. Diese Unabhängigkeit, die unmittelbare Form von Freiheit, kann man auch als Einzelner erreichen, aber wie sich zeigen wird, nur in der alten Welt.

Auch Cheyenne setzt sich bei den anderen Menschen durch, indem er sein Leben aufs Spiel setzt. Er bedroht die anderen Menschen mit dem Tod und setzt sich so gegen sie durch. Denn er geht davon aus, dass die Anderen Angst vor dem Tod haben. Natürlicherweise müssen alle Menschen sterben. Deswegen kann man sie mit dem Tod bedrohen. Für den so Bedrohten erhält der eigene Tod das Gesicht eines anderen Menschen. Seine Sterblichkeit wird, wenn er seine Todesangst nicht überwinden kann, zu einem Mittel dessen, der seine Angst vor der Sterblichkeit überwinden kann. Im Film werden alle Menschen, die sterben, von anderen Menschen umgebracht. Der Tod hat für alle im Film Sterbenden die Gestalt eines anderen Menschen. Aber Cheyenne und Mundharmonika fürchten selbst den Tod nicht. Damit eignen sie sich ihre Sterblichkeit auf eine unmittelbare Weise an und verhindern ebenso auf eine unmittelbare Weise, dass ihre Sterblichkeit ein Mittel anderer wird, um sie zu bedrohen. Die eigene Sterblichkeit kann, wenn man seine Todesangst nicht überwinden kann, zu einem Mittel in der Hand eines Anderen werden, dem entgegenzustellen man sich nicht traut. In diesem Fall muss man nachgeben und tun, was der - so gesehen - "Überlegene" sagt. Man verliert seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit, die unmittelbare Form der Freiheit im Sinne der Selbstbehauptung. Cheyenne und Mundharmonika töten aber auch nicht in fremdem Auftrag, sondern teils um sich zu behaupten, teils um sich und Jill zu verteidigen. Sie setzen daher ihr eigenes Leben aufs Spiel, wenn sie sich mit Waffengewalt gegen Andere durchsetzen. Cheyennes Leute machen keine Massaker, Cheyenne kann nicht auf Krüppel schießen, und Mundharmonika stellt sich in der ersten Szene sogar einer der Zahl nach überlegenen Gegnerschaft im Duell. Das ist für beide eine Frage der Ehre.

In der alten Welt spielt Geld eine untergeordnete Rolle. Es gibt zwar welches, sonst könnte die Spelunke nicht existieren, aber man braucht es nicht in der Regel, sondern ausnahmswei-se. Im Film wird Geld im Zusammenhang der alten Welt nicht gezeigt, nicht weil es dort nicht vorkommt, sondern weil es keine entscheidende Rolle spielt. Im Zusammenhang mit der neuen Welt wird Geld nicht nur gezeigt. Es wird gezeigt, dass es sogar die stärkere Waffe gegenüber dem Revolver ist. In dem Fernduell Geld gegen Waffe setzt sich das Geld eindeutig durch. Das ist auch der Grund, weshalb Morton sich sicher ist, dass Frank nie so werden wird, wie er selbst. Denn Frank kann mit Geld nicht umgehen. Er versteht den Charakter von Geld in der neuen Welt nicht. Gegen das Geld hilft es nicht, die Waffe zu zücken und sich zu verteidigen, selbst dann nicht, wenn man mit der Waffe überlegen ist. Frank muss das erfahren.

Die neue Welt erscheint im Film durch den Bau der Eisenbahn, der die Zusammenarbeit vieler Menschen im großen Stil voraussetzt, gesellschaftliche Produktion. Diese Zusammenarbeit wird in der letzten Szene ausführlich gezeigt. Die Proletarier des Eisenbahnbaus arbeiten zusammen, weil sie Geld brauchen, um sich die Mittel zu verschaffen, die sie zum Leben brauchen. Wenn die Menschen sich nicht in den Besitz dieser Mittel bringen können, dann sind sie vom Tod bedroht. Denn sie können sich nicht die Mittel erwerben, die sie zum Leben brauchen. Die Lohnarbeiter, die die Eisenbahn bauen, verkaufen ihre Arbeitskraft, wie Jill ihren Körper verkaufte, um sich das Geld zu beschaffen, mit dem sie die Dinge kaufen können, die sie zum Leben brauchen. Das Geld enthält eine versteckte Todesdrohung. Nur wer sich im erforderlichen Umfang Geld verschaffen kann, kann überleben. Aber diese Todesdrohung hat nicht das Gesicht eines bestimmten anderen Menschen, gegen den man die Waffe zücken kann. Es ist vielmehr eine - wie es scheint - sachliche Bedingung zum Überleben. Aber dieser Schein trügt. Denn in Wahrheit handelt es sich um ein gesellschaftliches Verhältnis der Menschen untereinander, wie es für solche Projekte wie den Eisenbahnbau notwendig ist. Weil dieses gesellschaftliche Verhältnis aber unbewusst bleibt, erscheint es als eine sachliche Bedingung zum Überleben. Deswegen kann man sich als Einzelner gegen diese Todesdrohung unmittelbar nicht behaupten. Gegen die Notwendigkeit, an Geld zu kommen, hilft die Fähigkeit, sich im Duell durchzusetzen, nicht. Damit wird die Überwindung der Todesangst im Sinne Cheyennes und Mundharmonikas für die Befreiung weniger bedeutend. Jill würde alles tun, um ihr Leben zu retten. Die Lohnarbeiter tun, was ihnen zu arbeiten aufgetragen wird, um am Leben zu bleiben. Erst dadurch ist es möglich, gesellschaftlich zu produzieren, eine Eisenbahn zu bauen.

Durch das Geld wird die eigene Sterblichkeit der Menschen wiederum zu einem Mittel derer, die über das Geld verfügen, auf das die Menschen angewiesen sind. Denn nur, indem die Lohnarbeiter sich, wenn auch auf Zeit, an diejenigen verkaufen, die über Geld verfügen, können sie sich ihrerseits das Geld verschaffen, das sie zum Leben brauchen. Die Macht, die die Menschen nötigt, sich Geld zu beschaffen, ist nicht die Macht eines Einzelnen, der eine Waffe in der Hand hält und gegen den man sich als Einzelner wehren kann. Es ist auch nicht nur die Macht des Einzelnen, der das Geld in der Hand hat. Es ist zugleich die Macht der neuen Gesellschaft insgesamt, die die Menschen von den - von ihnen benötigten - Lebensmitteln trennt und sie dadurch zwingt, sich Geld zu beschaffen. Morton nutzt diese Macht nur für sich aus. Er ist nicht selbst die Quelle dieser Macht. Das zeigt sich daran, dass "seine Eisenbahn" auf ihn in keiner Weise angewiesen ist. Die Macht, die die Menschen von den Lebensmitteln trennt, ist nicht eine Macht Einzelner, sondern eine gesellschaftliche Macht, die von Einzelnen genutzt wird. Deswegen kann man sich gegen diese Macht im Duell nicht durchsetzen. Gegen diese Macht kann man sich überhaupt nicht als Einzelner durchsetzen. Gegen diese gesellschaftliche Macht ist eine gesellschaftliche Gegenwehr notwendig, die sich gegen solche gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen wendet, die die Sterblichkeit der Menschen zu einem Mittel anderer Menschen macht. Eine solche Gegenwehr kann nur eine organisierte und politische Gegenwehr sein, weil die vereinzelten Menschen gegen diese gesellschaftliche Macht nichts auszurichten vermögen. Denn eine Überwindung der Todesangst ist als Mittel der Auseinandersetzung in dieser Gegenwehr unzureichend. Um den eigenen Tod sich anzueignen, ihn den Anderen als Mittel aus der Hand zu schlagen, reicht es in der neuen Welt nicht aus, die unmittelbare Todesangst zu überwinden, wie im Falle des Duells. Was zu überwinden ist, ist die Trennung von den Lebensmitteln, die in der Notwendigkeit, sich Geld zu verschaffen, um überleben zu können, zum Ausdruck kommt. Die kann nur auf gesellschaftlichem Gebiet möglich, nur auf politischem Wege erreicht und nur in organisierter Weise durchgesetzt werden.

8. Der Tod als Teil des Lebens des Individuums

Denn der Tod ist eigentlich - auch das zeigt der Film - ein Bestandteil des Lebens eines Individuums. Der Film macht das sichtbar, indem er die Personen sterben lässt, wie sie leben. Mc Bain stirbt als Bodenspekulant und wegen seiner Bodenspekulation. Wobbes stirbt als Verräter beim Versuch zu verraten, Frank stirbt beim Versuch, Mundharmonika zu töten, und Cheyenne stirbt, weil er anständig ist. Morton schließlich stirbt bei seinem untätigen Versuch, mit "seiner Eisenbahn" den Pazifik zu erreichen, für den er andere tätig sein lässt. Wie die Menschen sind, so ist eigentlich auch ihr Tod. Der Tod ist in diesem Film ein Teil ihres Lebens, weil er dieselbe Bestimmtheit hat wie ihr Leben. Insofern das Leben der einzelnen Menschen ihre Individualität ausmacht, ist ihr Tod, da er genauso bestimmt ist, wie ihr Leben, ein Teil ihrer Individualität. Mit dem Tod ist die Individualität der Individuen nicht nur verschwunden, wie dies in der Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts so gerne behauptet wird. Im Film bestätigt sich die Individualität der Individuen auch in ihrem Tod. Diesen Gedanken wird ein Symposion des nächsten Jahres zum Begriff des Todes noch genauer entfalten.

Indem der Tod als Teil des Lebens der Individuen gezeigt wird, wird mir als Zuschauer und Zuschauerin die Möglichkeit eröffnet, meinen Tod als Bestandteil meines Lebens aufzufassen. Zumindest wird der Anspruch erhoben, dass ich mir meinen Tod müsse aneignen können, wenn der Film auch nicht zeigen kann, wie das möglich ist. Dennoch: Würde dieser Anspruch realisiert, wäre der Tod ein Bestandteil meines individuellen Lebens, so hätte er aufgehört, ein Mittel einer mir fremden Herrschaft zu sein. Ich könnte mir dann vielmehr meinen Tod als eine Bedingung meines individuellen Lebens aneignen. Da ich sterblich bin, wäre dies eine wesentliche Seite der Aneignung meines eigenen Lebens und Wesens, die so möglich erscheint, ein Zu-mir-kommen meiner selbst. Dieses Zusichkommen in der ästhetisch als möglich versprochenen Aneignung des eigenen Todes stiftet ein Gefühl für Identität mit mir selbst, das ästhetischen Genuss bereitet. Das Eigenartige ist, dass dieser ästhetische Genuss durch das Verstehen nicht vergrößert oder verbessert wird. Man kann den Film auch gut finden und genießen, ohne sich bewusst zu machen, was das Entscheidende in diesem Film ist. Und der Genuss scheint auch reiner und ungetrübter, wenn er nicht durch intellektuelle Überlegungen beeinträchtigt wird. Aber vielleicht ist es noch eigenartiger, dass der Genuss durch ein intellektuelles Verständnis des Films nicht verringert oder beeinträchtigt wird. Der Genuss bleibt erlebbar, auch wenn man den Film auf eine intellektuelle Weise versteht. Denn alles intellektuelle Verstehen ersetzt nicht das ästhetische Erlebnis, behindert es aber auch letztlich nicht. Und das Verstehen macht wiederum seinen eigenen Spaß.