These 4

Aus club dialektik
Version vom 2. Februar 2011, 13:03 Uhr von Stephan (Diskussion | Beiträge) (These 4)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

These 4

Die Globalisierung ist der allgemeine gesellschaftliche Ausdruck der Unbeherrschtheit der neuen, unmittelbar auf Weltniveau wirkenden Produktivkräfte.

Der neue Schritt der Produktivkraftentwicklung stellt sich in einer zweiten, allgemeinen Form als die so genannte Globalisierung dar. Sie ist der Prozess, dass die Individuen mehr und mehr unmittelbar auf Weltmarktniveau tätig werden. Sie kommen daher in ihrer Tätigkeit weltweit miteinander in Berührung und Zusammenhang. Dieser Zusammenhang stellt sich sowohl in Formen der Kooperation wie der unmittelbaren Konkurrenz dar. Da die Gesellschaftlichkeit der eigenen Arbeitstätigkeit mit zum Arbeitsgegenstand der unmittelbar produzierenden Individuen gehört, gilt das auch für ihr Verhältnis zu anderen unmittelbaren Produzentinnen und Produzenten auf der Welt, sei es im eigenen Unternehmen, sei es in anderen Unternehmen. Die Globalisierung setzt den Weltmarkt voraus, der allerdings schon am Anfang des 19. Jahrhunderts geschaffen worden ist. Sie ist eine bestimmte Erscheinungsform und Entwicklungsform des Weltmarkts. Die Globalisierung setzt auch multinationale Unternehmen voraus, die sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts herausgebildet haben. Sie setzt schließlich verstärkte internationale Direktinvestitionen und Formen der internationalen Verflechtung und Kooperation voraus, die im Prinzip seit Anfang des 20. Jahrhunderts existieren. Die quantitative Verstärkung der Verflechtung auf dem Weltmarkt und die größere Rolle der multinationalen Unternehmen bringen eine qualitative Veränderung zum Ausdruck, die in der Globalisierung benannt wird. Die Globalisierung wird oft auf die enorme Anhäufung von Geld in internationalen Finanzmärkten reduziert, da 90 % der formellen Transaktionen heute nur den internationalen Geldverkehr betreffen. Nur noch zehn Prozent als Transaktionen sind realwirtschaftliche Transaktionen. Ebenso wird die Globalisierung wesentlich mit dem freien Zugang zum internationalen Wertpapierhandel in Verbindung gebracht. Zwar sind die internationalen Finanzmärkte ein Moment der Globalisierung, aber sie sind nur Bedingung und Ausdruck eines ihnen zugrunde liegenden Prozesses. Die Globalisierung erfordert die Bündelung enormer Mengen an Kapital. Der aufgeblähte Finanzmarkt hält dieses Kapital bereit und stellt es den großen Konzernen zur Verfügung. Die internationalen Finanzmärkte erfüllen daher für die Globalisierung eine wichtige Funktion, aber sie sind weder der Träger der Globalisierung noch der entscheidende Faktor. Sie sind vielmehr eine wichtige Voraussetzung der globalen Unternehmen. Die Globalisierung besteht zunächst in einer qualitativen Veränderung der multinationalen Unternehmen und Konzerne selbst. Die multinationalen Unternehmen bilden die Weltmarktverhältnisse in ihrer inneren Struktur und Organisation ab und ahmen sie nach. Die großen Konzerne in der Gegenwart nutzen die nationalen und regionalen Unterschiede, um die Effizienz der Produktion zu steigern und die Gewinne der Unternehmen zu erhöhen. Sie agieren nicht nur auf dem Weltmarkt, sondern stellen einen Weltmarkt in sich selbst her. (Es handelt sich hierbei um einen zumindest in Momenten zum Wohle des Profits der Konzerne bewusst inszenierten „Weltmarkt“.) Die Unternehmensleitungen der internationalen Konzerne schreiben zum Beispiel Aufträge aus, um die sich die standortgebundenen Unternehmenseinheiten marktähnlich bewerben. Die Unternehmenseinheiten erhalten dann – je nach Qualität der Ausführung, Zuverlässigkeit der Unternehmenseinheit, Preis und angebotenem Termin – den Auftrag. Dabei geht es auch darum, öffentliche Unterstützung und staatliche Förderung für den eigenen Standort als Vorteil in der Standortkonkurrenz zu mobilisieren. Dadurch geraten die an sich in einem Konzern zusammenarbeitenden Beschäftigten in einen unternehmensinternen internationalen „Wettbewerb“ miteinander, der aber in Wahrheit nur eine unbegriffene Form der profitorientierten Kooperation in einem Unternehmen ist. Denn der unternehmensinterne „Markt“ ist kein Markt im eigentlichen Sinne. Er ist ein inszenierter, ein gesteuerter Markt. Dieser „Markt“ dient hier als ein Moment der Organisationsform des internationalen Unternehmens selbst. (Er ist in diesem Sinne Ausdruck der Rationalität der Organisation der Produktion in einem einzelnen Produktionsetablissement.) Er ist eine Form der von den Beschäftigten unbeherrschten Kooperation, die daher als Konkurrenz organisiert werden kann. Nicht die nationalen Abteilungen der Arbeiterklasse werden gegeneinander in Konkurrenz gesetzt. Das war in den siebziger Jahren der Fall. So ein Verhalten setzt wirkliche Marktverhältnisse (und damit vorausgesetzte Unabhängigkeit) voraus. Heutzutage ist die globale Konkurrenz oft ein organisiertes, produziertes Phänomen innerhalb der Unternehmen, in denen die nationalen Differenzen nur ausgenutzt werden. (Die Theorie der komparativen Kostenvorteile bezieht sich nicht mehr – wie noch bei Ricardo – auf Volkswirtschaften und ihren Handel untereinander, sondern auf die betriebswirtschaftliche Führung eines Konzerns, eines multinationalen Unternehmens.) Dementsprechend wächst der Anteil am Welthandel, der sich im Handel multinationaler Unternehmen mit sich selbst darstellt. Der Anteil dieses Handels (etwa von VW mit sich selbst oder anderer Konzernen mit sich selbst) am Welthandel insgesamt wird auf 32 % geschätzt. Das bedeutet: 32 % aller realen internationalen Handelstransaktionen spielen sich innerhalb eines und desselben internationalen Unternehmens ab, zwischen nationalen Tochterfirmen je eines internationalen Unternehmens.

Die Globalisierung ist also in ihrem Kern eine neue Form der profitorientierten Kooperation und Konkurrenz der unmittelbaren Produzenten auf dem Weltmarkt. Sie setzt die Fähigkeit und die Kraft der Individuen voraus, auch in kleinen unternehmerischen Einheiten auf Weltmarktniveau zu agieren und zu produzieren. Alle anderen Ausdrucksformen der Globalisierung sind letztlich Erscheinungsformen dieser Form der Organisation der neuen Produktivkräfte. Allerdings ist für den Begriff der Globalisierung kennzeichnend, dass er die Unbeherrschtheit der Produktionsverhältnisse durch die produzierenden Individuen zugleich mit umfasst. Globalisierung ist damit auch ein Ausdruck der Tatsache, dass die Menschen, die miteinander kooperieren, nicht in der Lage sind, ihre Kooperationsformen zu beherrschen.

Dieser Umstand wird besonders deutlich an der Metapher, mit der die Globalisierung am meisten in Verbindung gebracht wird, der Vorstellung des „Netzes“. Die weltweiten Beziehungsformen werden gerne als „Netzwerke“ bezeichnet, die Netzwerke als die Form der Organisation – teils der Gegenwart, teils der Zukunft – gepriesen. Dabei werden die Netze als Interaktionsformen vorgestellt, die Knoten als Individuen, die in den Netzen kooperieren. Manche Linken haben eine Weise lang die Machtverhältnisse so zum Ausdruck bringen wollen, dass sie im Netz „Spinnen“ ausgemacht haben, die offenbar die Netze produzieren. Die Metapher des Netzes bringt die Entfremdung der Individuen von ihren eigenen Kooperationsbeziehungen sehr plastisch zum Ausdruck. Denn was es in solchen Netzen wirklich gibt, das sind nicht die Knoten, sondern die Schnüre, die die Interaktionsformen abbilden sollen. Die Individuen werden nur als Verknotungsformen der Schnüre aufgefasst. Die Individuen beherrschen ihre Interaktionsformen so wenig, dass sie gewissermaßen nichts anderes sind, als ein Knäuel von sich verknotenden Interaktionsformen. Wirklich selbständig existieren nach diesem Bild nur die Interaktionsformen selbst, die die Individuen sich subsumieren. Die Vorstellung der „Spinne“ bringt zum Ausdruck, dass die Netze selbst Produkte sind. Sie bestreitet also die Behauptung, dass die Netze alle Individuen oder Knoten in gleicher Weise bloß subsumieren und möchte umgekehrt Subjekte für die Interaktionsformen angeben. Aber sie hält an der Vorstellung fest, dass die „normalen“ Individuen nur Knoten solcher Netze sind. Die Netze werden von Machtzentren hervorgebracht, die die Menschen vernetzen und zu Knoten ihres Netzes herabsetzen. In dieser Vorstellung wären etwa die internationalen Konzerne solche „Spinnen“, die ihre Netze hervorbringen. Aber die multinationalen oder transnationalen Konzerne bringen die Netze nicht hervor, sondern sie eignen sie sich nur an. Die transnationalen Unternehmen sind – genau genommen – selbst nur Ausdrucksformen der Kooperation der unmittelbar auf Weltniveau produzierenden Individuen selbst, die jedoch ihre Verhältnisse und vor allem ihre Kooperationsformen nicht beherrschen.

Die Individuen kooperieren in den Unternehmen, aber sie beherrschen ihre Kooperation nicht, weil sie die Verhältnisse, die sie in der Kooperation einzugehen gezwungen sind, nicht selbst bewusst produzieren. Sie kooperieren vielmehr, weil sie im selben Unternehmen beschäftigt sind. Dadurch entsteht in der gesellschaftlichen Kooperation der Individuen miteinander eine vereinte gesellschaftliche Kraft, eine gesellschaftliche Macht, die Macht des Unternehmens, die von den kooperierenden Individuen selbst nicht als ihre Kraft erkannt, anerkannt und angeeignet wird. Diese soziale Kraft, die das Resultat der gesellschaftlichen Produktion der Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter ist, wird von den Vertreterinnen und Vertretern des Kapitals angeeignet und als ihr Eigentums gegen sie vertreten. Denn dass die Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter kooperieren erscheint als ein Werk des Kapitals des Unternehmens, dem die Menschen ihre Arbeitskraft verkauft haben. (Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Privateigentum einzelner Menschen oder um als Privateigentum gesellschaftlich organisiertes Privateigentum handelt.) Es ist die – von den in gesellschaftlicher Produktion kooperierenden Individuen – verselbständigte Macht der Kooperation, die durch die Unternehmensleitungen gegen sie vertreten wird. An sich sind also nicht die Interaktionsformen oder die Schnüre das wahrhaft Existierende, wie das in der Metapher des Netzwerkes vorgestellt wird, sondern wahrhaft existierend sind nach wie vor die Individuen selbst, die „Knoten“, um deren Interaktionsformen es sich handelt. Diese Internaktionsformen werden von den „Spinnen“ nicht hervorgebracht, sondern nur angeeignet, zum Ausdruck gebracht und repräsentiert. Die multinationalen oder transnationalen Konzerne sind nur Ausdruck der privaten Aneignung der produktiven Kraft der unmittelbar gesellschaftlich produzierenden Individuen. Die produktive Kraft der Individuen – das ist der Inhalt des Begriff der Globalisierung – hat eine den Erdball umspannende Wirkung erhalten und wirkt unmittelbar auf die Individuen zurück. Deswegen ist der Begriff der Globalisierung durch den Widerspruch gekennzeichnet, dass der Prozess der Globalisierung zugleich Ausdruck der produktiven Kraftentfaltung der unmittelbar gesellschaftlich produzierenden Individuen ist, andererseits die völlige Ohnmacht derselben Individuen gegenüber dieser ihrer eigenen gesellschaftlichen Kraft und Macht zum Ausdruck bringt. Im Begriff der Globalisierung liegt es, dass es sich dabei um eine gesellschaftlich produzierte Ohnmacht handelt, die zugleich als Macht der internationalen Unternehmen über die Menschen erscheint. Es wird also mit dem Begriff der Globalisierung zugleich mitgedacht, dass die Beherrschung dieser Entwicklung an sich möglich und notwendig ist. Der Begriff der Globalisierung enthält gewissermaßen seine eigene Kritik.

Daher stellt sich die Frage, ob die Entwicklung der Globalisierung beherrschbar ist. Insbesondere wird diese Frage an die politischen Institutionen des Nationalstaates gerichtet, weil die juristische Fiktion den Nationalstaat als die Verfasstheit des souveränen Volks auffasst. Das dem Staat und der Politik überhaupt zugrunde gelegte, als frei vorgestellte Subjekt ist das Volk, dem die Souveränität zugeschrieben wird. Diese im Weltmaßstab bis 1830 und in zurückgebliebenen Ländern – wie Deutschland und Italien bis 1870, in manchen Entwicklungsländern noch heute – fortschrittliche Idee der Nationalität droht mit der Globalisierung offensichtlich ein drastischer Bedeutungsverlust. Die von privaten Unternehmen kommandierten gesellschaftlichen Kräfte überschreiten teilweise erheblich die von Staaten kommandierten. Überdies sind die privaten Kräfte einheitlich orientiert und „zielklar“. Es fehlt ihnen die Heterogenität und die Notwendigkeit zur Vereinheitlichung gesamter Gesellschaften zu kommen, um handlungsfähig zu sein. Die nationale Souveränität wird zunächst mehr und mehr faktisch, dann aber auch juristisch zugunsten der so genannten demokratisch nicht legitimierten „Weltgemeinschaft“ ausgehöhlt. Verbunden damit ist ein drastischer Abbau demokratischer Rechte, der teils durch Regionalisierung wichtiger Entscheidungen, wie in der EU, teils durch offensichtliche Zwangsmaßnahmen, die in direktem Widerspruch zur angeblichen Souveränität des Nationalstaates stehen, zum Ausdruck kommt. Der Nationalstaat verliert seine Souveränität.

Er wird von einem angeblichen politischen Subjekt, wie es die bürgerlichen Verfassungen konzipiert hatten, zu einem Faktor der Standort-Konkurrenz. Der „nationale Wettbewerbsstaat“ ist heute in wachsendem Maße ein Standortfaktor, ein Vorteil oder Nachteil im Anwerben von Unternehmensinvestitionen. Dabei entscheidet neben den Investitionen in die Qualifikation der Bevölkerung, Infrastruktur etc., auch die Steuerquote für Unternehmensgewinne und das Ausmaß, indem sich die Öffentlichkeit für bestimmte Unternehmen mobilisieren lässt und sich an der unmittelbaren Subventionierung der Unternehmensgewinne beteiligt.

Die allgemeinen Interessen der Bürger, wie sie sich – wenn auch illusorisch - im Staat ausdrücken, werden mehr und mehr als ein Interesse an Investitionen transnationaler Konzerne in den entsprechenden Staaten aufgefasst, um die die Staaten mehr und mehr gegeneinander konkurrieren. Maßstab der Konkurrenz ist der Profit dieser Konzerne. Die Staaten passen sich dadurch – gewissermaßen automatisch – den Profiterfordernissen der Konzerne an und mobilisieren Steuergelder für Investitionen in ihrem Land. Insofern die Konzerne beschränkte, konkrete und bestimmte Interessen durchzusetzen haben, ist ihre Kraft wesentlich fokussierter als die das Staates, in dem zunächst die allgemeinen Interessen zu finden und zu formulieren sind (wobei die Konzerne eifrig „mithelfen“). Von daher sind die Konzerne auf die für sie relevanten Punkte hin durchsetzungsfähiger, wenn ihnen keine bewusste Kraft entgegensteht. Es gelingt ihnen daher in der Regel, die Nationalstaaten zu dominieren. Die Orientierung an der internationalen Konkurrenz um Kapital, das in das Land gelockt werden soll, und um die qualifiziertesten und also profitabelsten Lohnarbeiter führt zwar politisch in den Widerspruch, dass alle Staaten um dasselbe kämpfen, um Investitionen, so dass letztlich die gemeinsame Lösung von Problemen unmöglich wird. Doch solange gar keine allgemeine und gemeinsame Lösung erarbeitet wird, bleibt dieses Problem uninteressant. Das Widersprechende der eigenen Politik, dass sie eine Politik der Anderen produziert, die das Erreichen der eigenen Ziele unmöglich macht, verblasst merkwürdig vor der scheinbar alternativlosen Bedrohung durch Abzug von Kapital. So gelingt es den großen Konzernen, sich und ihre Investitionbereitschaft auch im öffentlichen Bewusstsein zum Maßstab der Politik der sogenannten „demokratischen“ Parteien zu machen.

Es bringt die Machtverhältnisse an einem Beispiel zum Ausdruck, dass der Konzern Nokia vom Land Nordrhein-Westfalen Subventionen erhält, die in der Praxis eine Umverteilung von Geld der Bürger zugunsten von Nokia darstellen. Dabei spielt es für den Charakter des Vorganges keine Rolle, ob es sich um ein Unternehmen handelt, das seinen Hauptsitz im Ausland hat; der daraus resultierenden Skandalisierung verdanken wir lediglich, dass diese allgemeine Praxis ans Licht gekommen ist; ebenso ist es für den Charakter des Vorgangs unerheblich, dass das Unternehmen von Nordrhein-Westfalen diese Subventionen erhält, und nicht etwa von Rumänien. Das ganze Verhältnis ist mit der Vorstellung nationaler Souveränität nicht in Einklang zu bringen. Die nationalen Staaten werden – wie dieses Beispiel überaus klar und deutlich zeigt – nach und nach zu einem verlängerten Umverteilungs-Arm internationaler Konzerne. Die ohnehin nur eingebildete Souveränität der Nationalstaaten beginnt auch in der Einbildung zu verschwinden.

Die bürgerlich parlamentarische Politik beherrscht nicht die Produktionsbeziehungen in den kapitalistischen Staaten. Im Gegenteil droht sie selbst eine gewinnträchtige Bedingung der Globalisierungsstrategien internationaler Konzerne zu werden. Gegenwärtig ändert sich das ein wenig. Denn das Bündnis der multinationalen Konzerne und der nationalen Bourgeoisie, das seit Mitte der siebziger Jahre bestand und im Wesentlichen durch den Impuls zusammengehalten wurde, die Löhne zu drücken und den Staatshaushalt zu „sanieren“, ist in eine Krise geraten. Die Löhne sind in einem Ausmaß gesenkt worden, das den im nationalen Maßstab operierenden Unternehmen ihre wirtschaftliche Basis zu nehmen droht. Diese Entwicklung gefährdet dieses Bündnis. Denn die national operierende Bourgeoisie ist auf einen zahlungskräftigen nationalen Markt im Inneren angewiesen. Dieser Markt ist in vielen Ländern, gerade auch in der Bundesrepublik Deutschland, extrem eingebrochen zugunsten einer Orientierung auf den Export. Die Exportorientierung ist jedoch aufgrund der zu erwartenden Rezession in den USA nur begrenzt fortsetzbar und erfolgversprechend. Der Einbruch der nationalen Kaufkraft führte zu einem Einflussverlust der auf den nationalen Markt orientierten Bourgeoisie. Von daher ist das - seit den siebziger Jahren bestehende – Bündnis der internationalen Konzerne mit den national orientierten Bourgeoisien auch der Bundesrepublik Deutschland im Moment bröckelig und erstmals seit langem gefährdet. So erklärt es sich, dass heute auch ohne große außerparlamentarische Bewegungen und Auseinandersetzungen eine tendenzielle Öffnung für linke Positionen denkbar wird. Der Erfolg der Linkspartei, die – wenn auch bescheidenen – Lohnerhöhungen und die Veränderungen, die in der SPD-Führung zu einer zumindest verbalen Öffnung hin zu demokratischen Positionen nötigt (wiewohl deren Fortsetzung im Moment zweifelhaft erscheint), lassen sich wohl darauf zurückführen, dass das Bündnis aus dem multinational operierenden Kapital und dem national operierenden Kapital nicht bruchlos fortgesetzt werden kann. (Ein weiteres später noch eingehender zu behandelndes Problem, dass aber auch hier von Bedeutung ist, ist die Krise des Finanzkapitalmarktes, dessen vorläufiger Höhepunkt die jüngste Kreditkrise in den USA gewesen ist

Damit ist allerdings zugleich die Gefahr eines neuen Nationalismus verbunden. Dass der Spielraum linker Kräfte größer wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grundlage dieses möglichen Einflussgewinns zwiespältig ist. Denn in ihr lauert eine Gefahr. Man kann die Globalisierung nach zwei Richtungen hin ablehnen:

1. Man kann sich gegen die Unbeherrschtheit der Kooperationsbeziehung der 
   unmittelbaren Produzentinnen und Produzenten richten. Dann kritisiert man 
   die Globalisierung nicht, weil sie eine Verflechtung der internationalen 
   Kooperationsbeziehungen mit sich bringt, sondern deshalb, weil diese 
   Kooperationsbeziehungen unbeherrscht sind. Man betrachtet jedoch die 
   Globalisierung als einen notwendigen Schritt auf dem Wege zur Beherrschung 
   der eigenen Kooperationsbeziehungen, der allerdings dringend zu überwinden 
   ist, und der unter anderem darin besteht aufzuzeigen, wie notwendig die 
   Überwindung der Unbeherrschtheit der Beziehungen ist. Man kritisiert die 
   Globalisierung aufgrund ihres Widerspruchs und fordert einen wesentlichen 
   Fortschritt zur Selbstbeherrschung der produktiv tätigen Individuen. 
2. Man kann sich aber auch gegen die internationale Verflechtung der 
   Beziehungen in der Kooperation selbst wenden, zum Beispiel weil man sich 
   vorstellt, dass sie prinzipiell nicht zu beherrschen sind. Diese Strategie 
   mag im Einzelfall und für eine gewisse Zeit zum Schutz vor internationaler 
   Konkurrenz richtig sein. Im Prinzip aber ist es eine Linie, die sich gegen 
   die zunehmende Gesellschaftlichkeit der Produktion richtet. Diese Strategie 
   ist daher tendenziell reaktionär, sie möchte die Geschichte zurückdrehen zu 
   einem Zeitpunkt, als die Abbildung der Weltmarktkonkurrenz in 
   multinationalen Unternehmen noch nicht stattfand. Ein solches Zurückdrehen 
   ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Die wichtigste Hinsicht ist, dass 
   die Ausdehnung der internationalen Kooperationsbeziehungen eine wesentliche 
   Voraussetzung ihrer Beherrschung ist. Insofern ist eine Orientierung auf 
   die Rückführung der Kooperationsbeziehungen auf eine kontrollierbare oder 
   durch nationale Politik beherrschbare Formen eine falsche politische 
   Orientierung, und sie ist überdies illusorisch. Denn es geht nicht um die 
   Einbettung der kapitalistischen Ökonomie in den gesellschaftlichen 
   Zusammenhang, sondern um eine Überwindung der kapitalistischen Ökonomie 
   selbst. (Besonders schmählich ist, wenn eine Reduktion der Globalisierung 
   und ein „Ende des Kapitalismus, so wie wir ihn kennen“ von der Erhöhung der 
   Ölpreise erwartet wird. Das Ende des Kapitalismus kann nur eine Aktion der 
   sich befreienden Menschen sein. Sie ist nicht eine Begleiterscheinung von 
   Preiserhöhungen.) 

Die Linke steht daher auch vor der Aufgabe, die konservativen Globalisierungskritiker zu einer politischen Auseinandersetzung mit der Globalisierung zu gewinnen, die sich von rückwärtsgewandten Utopien löst. Solche Utopien entstehen spontan und sind insofern nicht zu vermeiden. Es gilt, sie nicht nur zu verurteilen, sondern auch sich mit ihnen auseinander zu setzen. Die gemeinsame Kritik an der Globalisierung darf weder dazu führen, die Differenz aus den Augen zu lassen oder gar zu vergessen, noch darf die Differenz dazu führen, den Kampf um die Durchsetzung einer fortschrittlichen Globalisierungskritik aufzugeben. Es reicht nicht aus, die falsche Richtung der Globalisierungskritik zu entlarven, weil damit ein wichtiger Teil der Globalisierungsgegner aktiv in die rechte Ecke abgeschoben wird. Es muss gelingen, die Globalisierungskritiker für eine linke politische Alternative und Auseinandersetzung mit der Globalisierung zu gewinnen. Eine politische Mehrheit und einen politischen Machtfaktor für die Fortsetzung der zunehmenden Vergesellschaftung der Produktion zu gewinnen und zugleich die Globalisierung als Ausdruck der Unbeherrschtheit der Beziehungen in der Kooperation zu kritisieren und zu bekämpfen, das ist die komplizierte Aufgabe der Linken in der jetzigen Situation. Das kann aber nur durch eine politische Orientierung auf die bewusste und beherrschte Internationalisierung der Produktionsbeziehungen erreicht werden. Die Globalisierung zeigt die Notwendigkeit der Selbstbeherrschung der Produzentinnen und Produzenten durch die Beherrschung ihrer Kooperationsbeziehungen. Sie zeigt nicht die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit einer Rückkehr zu Formen der Produktion, die der Phase der Globalisierung vorhergehen, und aus der die Globalisierung in innerer Entwicklung hervorgegangen ist.